The Avett Bros. – Live, Vol-2
Ramseur Records 2005
Traditionelle Country-Musik, die noch mit einem Bein im Bluegrass steht, hat es außerhalb von Kentucky und Tennessee nicht unbedingt leicht. Gut, North Carolina mit seinen Blue Ridge Mountains ist auch nicht unbedingt feindliches Terrain, doch Musik als Trio mit Banjo, akustischer Gitarre, Kontrabass und für die gelegentliche Fußarbeit Hi-Hat und Kick-Drum aufzuführen, ist mutig – zumindest, wenn man in der Stadt auftritt.
Die Avett Brothers hatten zwei sehr mäßig erfolgreiche Studioalben im Gepäck, als sie 2004 das Neighborhood Theatre in Charlotte, NC, ausverkauften und ihr Live-Album einspielten. Sie sangen Lieder von intakten Familien, leichtem Liebeskummer und „I want to make you my wife someday“. Maximal ein „Wanted Man“, weil die Geliebte sich zu einem anderen gelegt hat, aber sonst blieb alles brav-bürgerlich und gottgefällig.
Alles Zutaten für ein langweiliges Konzert, möchte man meinen, und doch kreischt die Menge begeistert bis enthusiasmiert. Das hat zwei einfache, sehr rasch nachvollziehbare Gründe: Die beiden Brüder Seth und Scott Avett schrieben schon damals großartige Songs und sie waren und sind begnadete Live-Musiker. Diese Spielfreude, dieses Aufgehen in den eigenen Songs funktioniert völlig unabhängig vom Instrument. Es zählt nicht mehr, ob sie die sechssaitige E-Gitarre oder das fünfsaitige, akustische Banjo in den Händen halten. Man hört drei Menschen zu, die selbst ungeheuren Spaß daran finden, 16 Songs vor zuhörenden Menschen zu spielen und dieses Gefühl mühelos auf ihr Publikum übertragen können. Egal, ob dieses vor der Bühne steht oder hinter den Lautsprecherboxen im Wohnzimmer sitzt.
Drei Jahre später erkannte Rick Rubin, der unter anderem die Beastie Boys groß machte, mit Metallica oder den Red Hot Chili Peppers arbeitete und Johnny Cash ein fulminantes Comeback ermöglichte, ihr Potential. Er holte sie zu American Records und produzierte „I and Love and You“. Das Album ging in die Top 10 und machte die Avett Brothers zu Stars. Ihr anschließend eingespieltes Live Volume 3-Album bewies abermals, dass ihre Musik einen Star-Produzenten wie Rick Rubin nicht einmal gebraucht hätte, und am besten auf der Bühne funktioniert. Denn diese Spielfreude ist ungeheuer ansteckend.