Foyer des Arts – Von Bullerbü nach Babylon
WEA 1982
Es gab ja einige Spielarten der Neuen Deutschen Welle, dem deutschen Ableger der New Wave. Manches davon war nicht ganz ernst und damit ist nicht „Gib Gas, ich will Spaß“ von Markus gemeint. Der Plan bewies als erste Band dadaistischen Humor und auch das Berliner Duo Foyer des Arts folgte mit etwas zeitlichem Abstand im Windschatten.
Das erste Album blieb noch völlig unter der Wahrnehmungsschwelle, da aber die Single „Eine Königin mit Rädern untendran“ ein Untergrund-Erfolg wurde, bekamen sie 1982 einen Vertrag beim Major-Label WEA für den Nachfolger. „Von Büllerbü nach Babylon“ ist nicht leicht einzuordnen: Dadaistische Kunst, kindliches Spiel mit Wörtern und Tönen, Gesellschaftssatire, früher Spoken-Word-Rap und doch finden sich einige Pop- und NDW-Perlen drauf. Untypisch für die damalige Zeit war auch der völlige Verzicht auf Synthesizer und Rhythmusmaschine. Zum Einsatz kommen lieber Holzbläser, Zither oder Kaffeedosenbongos. Gitarrist Gerd Pasemann komponierte die Musik, der später als Schriftsteller und Kolumnist erfolgreiche Max Goldt schrieb die Texte und sang/sprach.
„Von Büllerbü nach Babylon“ ist also völlig uneinheitlich – nicht immer einfach, manches spielerisch, manches visionär und manches so eingängig, dass man auch nach 40 Jahren sofort wieder mitsingen kann. „Wissenswertes über Erlangen“ eröffnet das Album mit einem prägnanten Bassmotiv und versprüht so viel Charme wie sonst kaum ein Titel der NDW. Höchstens noch „Fred vom Jupiter“ kann da noch mit. Der Nachfolgetrack ist hingegen irgendwo zwischen New Wave, Blasmusik und Atonalität und anschließend verschreckt einen Goldt mit den Textzeilen „Komm in den Garten, da liegt mein Bruder, ich konnt´ ihn nicht leiden, ich schlug ihm den Kopf ab.“ Dazu gibt es zurückhaltende Musik von Zither, Bass und viel Percussion. Teilweise singt Goldt aber auch Englisch und in „Olympia“ versucht er sogar, Bryan Ferry zu geben. Pasemann will mithalten und lässt zur NDW-Version von Roxy Music Geigen und Pauke aufmarschieren.
Satirisch werden sie vor allem auf der zweiten Plattenseite. In „Trends“ diagnostiziert Goldt: „Ohne Trends und ohne Mode langweilt man sich zu Tode. Man trägt wieder Paradebeutel, Wortwechsel sind jetzt weniger gefragt, die Moral hat sich geändert, die Äpfel werden wieder birnenförmiger.“
Visionär und dennoch zeitlos der letzte Track. In besorgter Stimme des Volkes (auch Goldt nennt es am Textblatt „Volk“): „Handtaschenräuber, überall Handtaschenräuber.“ Dann martialisch „Da hilft nur noch Hubschraubereinsatz, Hubschraubereinsatz.“ Volk: „Scheinasylanten, überall, überall Scheinasylanten.“ – „Da hilft nur Hubschraubereinsatz.“ Der Spoken-Word-Rhythmus zu etwas Bass und Percussion ist so eingängig, dass sich die Zeilen in unserer Familie als Meme gehalten haben. Pure Genialität.
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