The Ruts – The Crack
Virgin Records 1979
Es fing an wie bei vielen Punk-Bands der zweiten Stunde: Der frühere Hippie-Kommunen-Bewohner Malcolm Owen hörte ein Konzert der Sex Pistols und „Bang!“. Sein früherer Schulfreund Paul Fox spielte in einer Funk-Band, die Coverversionen zum Besten gab. Dieser nahm gleich den Drummer mit, der wiederum einen Ramones-T-Shirt tragenden Ska- und Reggae-Bassisten kannte. Fertig waren die Ruts, und im September 1977 trat man mit den ersten vier Songs auf.
Im April 1978 hatte die Band die 105 Pfund beisammen, die sie für ein paar Stunden Studio-Miete brauchte, aber es dauerte weitere neun Monate, bis man auch die Produktion von 1000 Kopien der ersten Single „In a Rut“ finanzieren konnte. Wie bei so vielen Bands führte der weitere Weg über die englische DJ-Legende John Peel, der ihnen BBC-Airplay und eine eigene „John Peel-Session“ verschaffte. Das und energiegeladene Live-Konzerte brachten ihnen zunehmendes Interesse der damals immer an neuen Punk-Bands interessierten Musikindustrie ein. Man entschied sich für Virgin Records, denn deren Repräsentanten waren die Einzigen, die beim Gespräch keine Anzüge trugen.
Nach drei Singles erschien im September 1979 endlich das erste Album „The Crack“. Am Cover sind neben den Bandmitgliedern auch Jimmy Pursey von „Sham 69,“ Captain Sensible und Rat Scabies von „The Damned“ und ihr Mentor John Peel zu sehen; Maler John Howard packte aber auch gleich Jimi Hendrix und den Schauspieler Dudley Moore in das Bild. Ruts-Fan Henry Rollins schaffte es später, das Gemälde zu erwerben, das er als sein „favourite album of all time“ bezeichnete. (siehe Video).
Die Musik von „The Crack“ ging über den reinen Punk hinaus. Zwei Songs – „S.U.S.“ und vor allem das düstere „It was cold“ zeigten schon den Übergang zu Post-Punk, der sich 1979 bereits breit vollzog. Man hört auf dem Album deutliche Reggae-Einflüsse, aber ebenso stellenweise Pub-Rock auf Speed oder ihr Interesse an Captain Beefheart. Ihr Produzent Mick Glossop arbeitete immerhin direkt vorher mit Frank Zappa.
Textlich waren die Ruts immer politisch: Gegen Rassimus, gegen Polizei-Brutalität und einer der herausragenden Songs des Albums – „Jah War“ – handelt von den Southall-Riots, die einsetzten, nachdem Neo-Faschisten 1976 einen jungen Sikh vor seiner Wohnungstür umbrachten. In das Album steigen sie ein mit den Zeilen: “Babylon’s burning, you’ll burn the street. You burn your houses, with anxiety”. Und sie brachen den Anarchie-Zeitgeist des Punk auf die für alle verständlichen Zeilen „You do what you wanna, I do what I wanna do“ herunter.
Für ein paar Monate waren die Ruts auf der Höhe der Clash, deren zweites Album eher enttäuscht hatte (und London Calling war noch nicht erschienen). Sie hatten denselben politischen Anspruch, sie besaßen die gleiche Live-Energie (man höre nur den letzten Track des Albums „Human Punk“) und sie hatten mit Malcolm Owen sogar den besseren Sänger – bei aller Wertschätzung für Joe Strummer. Vielleicht hatten sie keine Single-Hymne wie „White Riot“ in der Set-List, aber „Babylon´s burning“ war nicht viel dahinter, und „Jah War“ klang besser und authentischer als „Police and Thieves“ vom ersten Clash-Album.
Alles lief gut für sie: Die BBC verbot „Jah War“ als zu politisch, die US-Tour war bereits gebucht, und die Arbeiten für das zweite Album begannen, doch im Juli 1980 starb ihr charismatischer Sänger Malcolm Owen an einer Überdosis Heroin. „The Crack“ blieb ihr einziges reguläres Album und der Rest machte eher mittelmäßig als Ruts D.C. weiter.
Für Interessierte sei auch das im 4-Album-Box-Set „The Virgin Years“ enthaltene Live-Album „Live at the Marquee, July 1979“ empfohlen, das die gesamte Live-Energie der Band einfängt. Man höre nur, wie „Criminal Mind“ auf einen eindrischt, oder wie viel rohe, ungeschliffene Energie „Babylon´s burning“ enthält. Eine neue Kerbe für Heroin auf dem Gewehrschaft „Rockstars“. Malcolm Owen war 26 – noch ein Jahr jünger als Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison oder Kurt Cobain, die posthum den „Club 27“ gründeten.
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