Mittwoch, 26. Juli 2023

Clutch - Transnational Speedway League

 

Clutch – Transnational Speedway League

EastWest Records 1993

Sie werden oft dem Grunge zugerechnet, weil ihr Debutalbum „Transnational Speedway League“ 1993 erschien. Doch das typische Leise-Laut-Schema des Grunge fehlte den vier Männern aus Germantown, Maryland völlig. Wenn auf ihrem Erstling eine Differenzierung zu hören ist, dann zwischen hart und krachend hart. In Wahrheit spielten sie vom ersten Song an in einer eigenen Liga und kümmerten sich nicht um Genres.

Das Album wirkt auch nach 30 Jahren wie ein Körpertreffer von Mike Tyson: derb, brutal und die ungeheure Wucht aus roher Kraft ziehend. Dabei gehen die Songs nach einigen Malen durchaus ins Ohr, doch das ist ein Kollateralnutzen. Nur Summen lassen sich diese Songs nicht – das wäre wie das Geräusch eines startenden Jets auf der Heimorgel zu imitieren.

Schon der erste Track „A Shogun named Marcus” kracht weg wie ein Monster-Truck auf Vollgas. „Yes, I am a New World Samurai, and a redneck nonetheless. Check it out, I am like a buzz bomb.” Man würde nicht wagen, daran zu zweifeln, wenn man die Aggressivität in der mächtigen Stimme von Neil Fallon hört. Nirvanas „Nevermind“ erschien einige Monate zuvor, aber im Vergleich klingt das ( von mir hochgeschätzte ) Trio um Kurt Cobain wie eine Schüler-Tanzband am Highschool-Abschlussball, wenn sie es dank zweier Gläser Punsch einmal krachen lassen will.

Im zweiten Track „El Jefe speaks“ schaltet Tim Sult die Gitarre einen Gang runter, aber Fallon bellt: They call me El Jefe, a char chewing troubadour. The boss and the Hit Man.“ Im Anschluss beginnt „Binge and Purge“ unheimlich wie die Eröffnung eines Horrortrips and Fallon knurrt dazu: „Perhaps it´s just the way the light falls, but everything looks like a target to me.” Eine Minute später stellt er fest: “The root of the problem has been isolated“ und der Song geht unheimlich ab. Fallon bringt es schließlich auf den Punkt: „Come on, motherfucker, let´s throw down. Just try me, what are you waiting for?” Das alles kommt mit einer Stimme, die einen verstehen lässt, dass jeder kneifen würde, wenn Fallon auf die Blutwiese wechseln will. „I´ll make you wish that you´d never been born. Come on, motherfucker, let´s go.” Und genauso klingen sie auch. Eine Urgewalt, die einen atemlos zurücklässt.

In einigen späteren Songs lassen sie gleich die Unterscheidung in Verse und Chorus weg. Aber Scheiß drauf, das Ding kracht auch so durch jede Wand, haben sie sich wohl gedacht. Wie recht sie hatten.

Auf ihren noch folgenden zwölf Alben gaben es Clutch auch etwas zurückhaltender, changierten zwischen Stoner- und Blues-Rock, jeweils mit einem Bein im Metal stehend. Ihr Erstlingswerk bleibt jedoch in seiner Wucht, in seiner Kompromisslosigkeit unerreicht.

The Comsat Angels - Waiting for a Miracle

 

The Comsat Angels- Waiting for a Miracle

Polydor 1980

Das erste Album von Joy Division, im Juni 1979 veröffentlicht, hinterließ im britischen Post-Punk sofort tiefreichende Spuren. Später berühmt werdende Bands wie U2 oder The Cure hörten sich auf ihren Erstlingswerken stark nach Epigonen der Dark Wave-Propheten aus Manchester an, aber auch vergleichsweise unbekanntere Band wie The Sound oder The Chameleons ließen „Unknown Pleasures“ offensichtlich gleich für Monate auf ihrem Plattenteller liegen.  

Das gilt in gewissem Maße auch für die Comsat Angels und ihr Debut. 1978 in Sheffield gegründet entwickelten sie eine eigene Lesart der gerade entstandenen New Wave. War der Sound von Joy Division kühl und düster, war jener der Comsat Angels noch ein wenig kühler, aber gleichzeitig von im Post-Punk bis dahin ungehörter Eleganz. Jene Eleganz, die der Sparsamkeit entspringt, wenn man genau weiß, was weggelassen werden kann. Auf „Waiting for a Miracle“ ist jeder Ton essentiell. Glasklar kommt die Musik, ohne die aus dem Punk stammende Wucht, aber umso mehr mit der Schärfe einer Rasierklinge sezierend. „Sometimes I feel out of Control“, lautet eine Textzeile, aber die Musik hört sich nach dem exakten Gegenteil an.

Sänger Stephen Fellows mochte nicht das Charisma von Ian Curtis besessen haben, aber die Musik entwickelte einen ähnlichen Sog. Sie nahmen sogar die Entwicklung vorweg, die Joy Division erst im zweiten Album vollzogen: Die Integration des Synthesizers in die gitarrenorientierte Fraktion des Post-Punks.

Letztlich entscheidet sich die Qualität eines Albums auch immer im Songwriting. Die erste Plattenseite von „Waiting for a Miracle“ ist schlicht großartig: Songs wie „Independence Day“, „Total War“ oder der Titel-Track hätten das Zeug zu ewigen New Wave-Hymnen gehabt, die zweite Seite ist nur mehr gut.

Sie tourten damals viel von England bis Island, teilweise mit U2 als Opening Act. Später beriefen sich Bands wie The Editors, Interpol oder die Arctic Monkeys auf sie, doch der kommerzielle Erfolg blieb den Mannen aus Manchester versagt. „Waiting for a Miracle, but nothing ever happens“, heißt es in der Titelzeile. Der Satz erwies sich als prophetisch: Obwohl sie bis 1995 Musik produzierten, blieben sie weitgehend unter der Wahrnehmungsschwelle.

Ambrosia - s/t

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