Matthew Sweet – Altered Beast
Zoo Entertainment 1993
Vom Ausflug zum R+B wieder zurück zum Rock. Welcher Rock? Klassisch, Alternative, Grunge, Singer-Songwriter? Von allem etwas. Matthew Sweet, der als Teenager mit Michael Stipe von R.E.M, ein Duo bildete, hatte den Erfolg seines dritten Albums „Girlfriend“ zu verdauen, das ihn mit dem Titeltrack auf Platz 10 der Billboard-Charts brachte. „Girlfriend“ brachte eingängigen Power-Pop, MTV-tauglich und mit Referenzen an Big Star oder die Byrds. Es war ein Album über die Scheidung von seiner Frau, aber der kommerzielle Erfolg machte ihn nicht glücklicher.
„Altered Beast“ ist der zweite Teil von etwas ähnlichem wie seiner Album-Trilogie und es wurde roher, kantiger und dunkler als sein Vorgänger. Natürlich kann Sweet kaum anders als eingängige Melodien zu schreiben, aber dieses Album, in den ersten beiden Monaten des Jahres 1993 eingespielt, atmet auch ein wenig vom Zeitgeist des Grunge und Sweets Texte wurden noch deprimierender. „Every day takes something away, until there is nothing left to say (“Falling”).
Der Albumtitel leitet sich von einem Arcade-Computerspiel dieser Zeit ab, in dem man bunte Power-Up-Gegenstände zu sich nimmt und damit zu einem mächtigen Wolfsmonster wird. Ein wenig von dieser Allegorie findet sich in der Musik des Pop-affinen Amerikaners mit der hellen Stimme, die er so oft in mehrstimmige Chor-Arrangements steckt. In diesem Album mutiert er immer wieder zu etwas Roherem, Abgründigerem.
Das Album erschließt sich nicht ganz so schnell wie „Girlfriend“, aber wenn man ihm die Zeit von drei, vier Durchläufen gibt, dann bleibt es für immer, und auch nach fast 30 Jahren übt es nach wie vor den gleichen Reiz aus. Der erste Titel „Dinosaur Act“ eröffnet mit Sweets Gitarrenriff, aber bevor die erste Gesangsstrophe beginnt, lässt er bereits Robert Quine seine verstörende Gitarrenarbeit verrichten. Sie wissen schon, der, der von Richard Hell über Brian Eno und Lou Reed bis zu John Zorn jedes Album mit seiner Lead-Gitarre bereicherte.
Die Musiker, mit denen Sweet hier zusammenarbeitet, sind durch die Bank exzellent. Die Drums wechseln von Mick Fleetwood über Fred Maher zu Pete Thomas, der sonst bei Elvis Costello hinten bei den Attractions saß. Die britische Keyboard-Legende Nicky Hopkins erscheint ebenso wie Byron Berline an der Geige – oder sollte man Fiddel sagen? Zentral sind aber die beiden, sich abwechselnden Lead-Gitarristen: Quine und ex-Television-Mann Richard Lloyd, die den Sound entscheidend mitprägen. „I don´t like knowing people and I don´t like people knowing about me. Get me out of here”, singt Sweet und Richard Lloyd drückt scharfe Gitarrensplitter tief in die aufgerissenen Wunden.
Selbst wenn der Rock entspannter nach Country klingt wie auf „Ugly Truth“ (das gleich in zwei Versionen auf dem Album auftaucht), singt Sweet „You don´t want to die, but the living gets you down. You simply cannot hide from the ugly truth“. Und später wird er sogar noch eindeutiger: „I need someone to pull the trigger, so if you´re what I think I see – shoot”. Diese Zeilen werden aber getragen von einer Melodie, die auch von den frühen Eagles stammen könnte.
Aus diesem Spannungsverhältnis zwischen Sweets naturgegebenem Pop-Appeal, seiner düsteren Stimmung in dieser Zeit und seiner Hinwendung zu roherem Rock bezieht dieses Album seinen besonderen Reiz. „Girlfriend“ ist zugänglicher, kommerziell um ein Vielfaches erfolgreicher, aber „Altered Beast“ ist für mich sein bestes Album in 35 Jahren. Es floppte dennoch und so versprach Sweet beim nächsten Album, dem Abschluss dieser Trilogie im Titel „100% Fun“.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen