Sandie Shaw – Hello Angel
Rough Trade 1988
Sandie Shaw? Die 1967 barfuß in der kaiserlichen Wiener Hofburg mit „Puppet on a string“ einen kleinen Skandal und den Eurovision Song Contest gewann?
Genau. Sandie Shaw veröffentlichte in den 60er-Jahren drei Alben mit Songs wie „Puppet on a string“ und diversen Coverversionen, sang sogar einiges in Deutsch, wechselte dann zum TV und zog sich weitgehend aus dem Musikgeschäft zurück. Sie spielte die Ophelia in Hamlet, schrieb Kinderbücher und arbeitete als Kellnerin.
Ende 1983 erreichte sie ein Brief von zwei, wie sie selbst schrieben, „unheilbaren Sandie Shaw Fans“, die meinten die „Sandie Shaw-Legende könne noch nicht zu Ende sein“. Die beiden waren erst 20 bzw. 24 Jahre alt, hatten aber bereits eine eigene Band gegründet und eine erste Single veröffentlicht. Sie hießen Johnny Marr und Morrissey und ihre Single „Hand in glove“ brachten sie in die Zusammenarbeit mit. Die Single ging in der Sandie Shaw-Variante, anders als das Original der Smiths, in die Top 30 der UK Single Charts.
Der Kontakt blieb aufrecht und fünf Jahr später erschien dann das Album „Hello Angel“, benannt nach einer Ansichtskarte, die Sandie Shaw von Morrissey bekam. Auf dem Album wirken nur Freunde und/oder Fans von Sandie mit, aber die Liste liest sich eindrucksvoll: Natürlich die gesamten Smiths, aber auch ihr alter Weggefährte aus den 60ern, Chris Andrews, der immerhin Hits wie „Yesterday Man“ oder „Pretty Belinda“ geschrieben hatte, und der ihr zu ihren Texten den Großteil der Melodien schrieb. Mike Scott brachte „A girl called Johnny“ von seinen Waterboys mit und die Reid-Brüder von Jesus and the Mary Chain steuerten „(Cool) About you“ bei. Die restlichen Musiker arbeiteten sonst mit Prefab Sprout, David Bowie, George Michael und Elvis Costello und Chrissie Hynde von den Pretenders sang background. Eine normale Party mit Freunden eben.
Und Sandie Shaw singt diese elf Stücke mit einer Stimme „more expressive, confident and bursting with life than it´s ever been before”, wie der Journalist Kris Kirk in den Liner Notes treffend schreibt. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie erstmals eigene Texte singt. Schon im ersten Track „Nothing less than brilliant“ singt sie über sich in der dritten Person und wie sie über die Wahrnehmung anderer wieder ihr Selbstvertrauen zurückgewann. Chris Andrews verpackt dieses Stück Selbstfindung in eine wunderbare Melodie und Chrissie Hynde spielt Mundharmonika. Stimmig, eingängig, ein wunderbarer Opener. Die beiden folgenden Titel sind kaum schwächer und „A girl called Johnny“ ist ohnehin ein Weltklassesong, in der Shaw-Version für mich noch eine Spur besser als das Waterboys-Original.
Das Gleiche gilt nach dem Wenden der Platte für „Hand in glove“, wobei ich mit Morrisseys Gesang immer ein Problem habe und nicht weiß, ob er absichtlich so singt oder es nur nicht besser kann. Bei Sandie Shaw entfällt die Frage ohne jeden Zweifel. Das nächste Cover, „Cool about you“, ist laut Kris Kirk „die beste Spector-Ballade, die Phil Spector nicht geschrieben hat“. Ich würde vielleicht noch The Mighty Wah´s „Songs of strength and heartbreak” dagegenhalten, aber dazu ein anderes Mal. Zwei weitere Balladen, in denen Sandie Shaw ihr ganzes Talent ausspielen kann, beschließen das Album. Ganz wie sie es wollte, denn „Hello Angel“ war ihr erstes und einziges Album, bei dem sie selbst die Kontrolle über ihr Werk hatte. Das Warten hat sich gelohnt – für sie selbst und für alle Hörer.
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