Donnerstag, 7. April 2022

Johnny Moped - Cycledelic


 

Chiswick 1978

Sie waren wohl eine der eigenartigsten Bands der Punk-Ara. Johnny Moped wurde als Black Witch Climax Blues Band bereits 1974 gegründet, der Frontmann war ein verkappter Rocker mit „Hell´s Angels“-Tattoo, ohne je H.A.-Mitglied gewesen zu sein, und dennoch waren sie mehr Punk als die meisten anderen Bands. Sie „sahen eigenartig aus, klangen wahnsinnig und waren in ihrer totalen Ungreifbarkeit und Antikommerzialität wie geschaffen für die Punkbewegung“, resümierte Andy Markowitz, der später eine Doku über sie drehte.

Ihr erster Live-Auftritt fand bei einem Live-Festival in ihrem Heimatort Croydon statt. Die Band fing an zu spielen, Johnny Moped, der Sänger kam zu spät und bretterte mit seinem Moped den Hügel hinunter in Richtung Bühne, quer über die Picknickdecken und zusehends die Kontrolle über sein Gefährt verlierend. Vor der Bühne kam er halb zu Sturz, rappelte sich auf, kletterte auf die Bühne und schrie „Let´s play! 1-2-3-4“.

Später, als sie ihren Plattenvertrag mit Chiswick in der Tasche hatten und das Studio gebucht war, verbot seine 20 Jahre ältere Ehefrau Johnny Moped den Kontakt mit der Band und so entführten ihn die restlichen Bandmitglieder von seiner Arbeitsstätte, um das Album aufnehmen zu können.  

Das Debutalbum „Cycledelic“ ist in der Tat einzigartig: Es ist meines Wissens die einzige LP der Musikgeschichte mit drei Seiten. Auf der A-Seite sind zwei Rillen gepresst und je nachdem, wo die Nadel gerade reinfällt, hört man entweder „V.D. Boiler“ oder den eher überflüssigen „Mystery Track“, auf dem vor allem die Band ihren Spaß hat.

Ernst ist da ohnehin nicht viel. Sie verpassen Chuck Berrys „Little Queenie“ eine Falsett-Version oder schrecken auf „3D Time“ nicht vor Psychedelia zurück. Kein Wunder, der Gitarrist trug Koteletten, Schnurrbart und einen Polizistenhelm. Dennoch hat die Band ihre großartigen Momente: Wenn sie auf dem Roxy-Sampler ihren Standard „Hard Lovin´Man“ herunterholzt, definieren sie Geschwindigkeit selbst im Punk neu. Dagegen klingen die Ramones wie eine Tanz-Combo, wenn die Paare schmusen wollen.

Es war wohl auch eine Band der verpassten Chancen. Immerhin warf die Band ihre zweite Gitarristin aus der Band, denn im Punk brauche man keine zwei Gitarren. Die gründete dann ihre eigene Formation namens Pretenders, und die erste Single von Chrissie Hynde ging auf Nr.1 der UK-Charts. Der Mann, dem sie ihren Rauswurf verdankte, hörte auf den Namen „Slimy Toad“. Und dann war da noch der Teilzeit-Bassist, dem es zu unprofessionell wurde, und der sich so lieber The Damned anschloss. Etwas später war Captain Sensible auch mit „Happy Talk“ und Wot!“ international in den Charts erfolgreich.

Aber auch heute noch nennt Captain Sensible „Cycledelic“ ein „sensationelles Album“, selbst wenn er nicht mehr mitgewirkt hatte, und der Bass von einem Mann gespielt wurde, der lieber Musik im Stil von Erik Satie machen wollte. Johnny Moped, dem Sänger, wurde dann fallweise von seiner Frau die Hose weggenommen, wenn sie Gigs verhindern wollte, und so blieb „Cycledelic“ einzigartig, weil sich die Band auflöste.

Dave Thompson schrieb in seinem Buch „Alternative Rock“ über das Album: „Cycledelic was absolute madness. The greatest songs, the sloppiest playing, a voice to make Billy Bragg feel grateful and the sheer immortality of the since-oft-covered "Darling, Let’s Have Another Baby". Das fasst es hervorragend zusammen.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ambrosia - s/t

  Ambrosia – s/t 20 th  Century Records 1975 Prog-Rock hatte 1975 für mich – mit 16 Jahren – einen schweren Stand. The Who zeichneten „By Nu...