Mittwoch, 19. Oktober 2022

Jilted John - True Love Stories

 

Jilted John – True Love Stories

Rabid Records / EMI Records 1978

„Charmant“ ist ein eher selten verwendetes Adjektiv im Zusammenhang mit Rockmusik. „True Love Stories“ quillt jedoch über vor Charme, Liebenswürdigkeit und Obskurität. Eigentlich war es lediglich eine Songskizze des englischen Schauspielschülers Graham Fellows, die es irgendwie schaffte, als Single auf dem obskuren Label Rabid Records aufgenommen zu werden. Er schuf dafür sein Alter Ego namens Jilted John.

Da es aber gerade 1978 war und der Do-it-yourself-Geist des Punks herrschte, konnte man damit dennoch wahrgenommen werden. Wie fast immer war es der BBC-Radio-DJ John Peel, der die Single namens „Jilted John“ des gleichnamigen Künstlers spielte. Der Song war charmant, eingängig und mündete im überaus plastischen Refrain „Gordon is a moron“. Im Fade-out des Songs fasst Gordon dann noch einige andere Namen aus. Einige Wochen später fand er sich auf Platz vier der britischen Charts. Und all die Gordons im Land waren vermutlich „not amused“.

EMI übernahm die Rechte und wollte ein ganzes Album. Graham Fellows lieferte sogar ein Konzeptalbum ab, was alles andere als Punk-Attitüde war. Es ging dabei aber nicht um den Aufstieg und Fall eines Sternenstaub-Außerirdischen oder um eine Band im Klub der einsamen Herzen, sondern um ganz normale Teenager-Probleme. Boy meets Girl, aber Girl trifft anderen Boy mit Auto und so weiter.  Hauptperson ist Jilted John, in der Eigencharakterisierung auf dem Cover „a full time drama student in Manchester and his ambition is to become a full time actor. Jilted John likes fancy mice, Kate Bush and the countryside. His dislikes include Gordon the Moron, anyone successful with girls and gardening.”

Martin “Zero” Hannett, bekannt durch seine Arbeit mit Joy Division oder den Buzzcocks, produzierte und die Band von John Cooper Clarke (noch so ein Fall von englischer Obskurität) bediente die Instrumente.  Die Musik klingt am ehesten wie eine Mischung aus den Television Personalities mit einer Prise des frühen Elvis Costello und einem ordentlichen Schuss Jona Lewie. Die Songs sind so einfach wie eingängig und die Texte rührend bis witzig.

Kurz die „Handlung“ des Albums: Teenager John geht auf „Baz´s Party“ (Songtitel) mit seiner Flamme Julie, die aber dort den bereits bekannten Gordon kennenlernt. Die Party endet für John mit dem Schädel voraus in der Toilettenmuschel und sein Leben sieht auch in den nächsten Tagen nicht viel besser aus. Er beginnt dann aber Sharon zu daten, was zwei Monate lang hält. Neuer Rekord für ihn. Dann sieht er Sharon, wie sie vor der Disco einen Typen namens Colin küsst. Sie behauptet, das sei nur ein Glückwunsch zum Geburtstag gewesen („The Birthday Kiss“), doch Colin hatte nicht Geburtstag. In weiterer Folge tauchen noch Shirley und Karen auf, doch das Album endet mit dem Song „Goodbye Karen“.

„There are few records like True Love Stories” heißt es auf AllMusic in der Besprechung des Albums, was im Urteil endet: „A true lost classic“. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.



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