Freitag, 25. November 2022

HeeBeeGeeBees - 439 Golden Greats

 

HeeBeeGeeBees – 439 Golden Greats

HeeBeeGeeBees Records 1981

Und heute ein besonderes Schmankerl oder, wie unsere Nachbarn sagen, ein Leckerbissen. „439 Golden Greats – Never mind the Originals, here´s the HeeBeeGeeBees“ ist nicht weniger als das lustigste Album der Rockgeschichte.

Die Musikparodie ist ein beliebtes Genre von Weird Al Yankowic bis zu Otto Waalkes. Normalerweise nimmt man eine beliebte Melodie eines bekannten Künstlers und macht einen neuen, hoffentlich lustigeren Text. „Like a surgeon, cuttin´for the very first time“, hieß es bei Weird Al, als er Madonnas “Like a Virgin” unter dem Messer hatte.

Die HeeBeeGeeBees (auf Deutsch etwas, das einen schaudern lässt) gingen weiter. Sie weiteten die Parodie auf die Melodie und die Instrumentierung aus. Auf „439 Golden Greats“ werden zwölf Interpreten so persifliert, dass man meint, man höre einen neuen Song von ihnen. Nur mit einem Text zum Niederbrechen und manchmal auch musikalischen Ideen, die das gewohnte Konzept ironisieren. Man höre sich nur das Ende von „Boring Song“ an, dem Beitrag von Status Quo – pardon Status Quid.

Dazu kommt, dass auch der Gesang gut parodiert wird. Paradebeispiel sind die namensgebenden Bee Gees, die das Album mit „Meaningless songs in very high voices“ beginnen. Alles davon ist durchaus wörtlich zu nehmen. Die zweite Seite der LP eröffnen sie ebenfalls – diesmal mit der existentialistischen Erkenntnis: „Ah-ah-ah, Ah-ah-ah, Ah-ah ah-ah-ah, We are here. You are there. Isn’t life weird?“

Dazwischen hört man David Bowwow, der behauptet, er sei „Quite ahead of my time“ und die PeeCees (Police), die „Too depressed to commit suicide“ sind. Was sie nicht davon abhält, Stewart Copelands typisches Drum-Spiel ad absurdum zu führen.

Am Ende kommen zum großen Finale Bob Vylan und Neil Dung live auf die Bühne, um dem „Bird of Peace“ zu huldigen: „ I saw the Bird of Peace the other day, flying through the sky, pursued by people who hate him. They took their guns and shot him down. I found the Bird of Peace on the ground, and ate him. Oh Bird of Peace, you tasted real good, I had you with mint sauce. All my friends ask me how I feel? Well, I feel Peace-full of course.” Dean Martian sollte auch noch auf die Bühne kommen, schafft es aber nicht, man hört nur das Whiskyglas scheppern. Und ganz am Ende kommt noch die unerwartete Fortsetzung eines früheren Brüllers.

Hinter den HeeBeeGeeBees stehen drei britische Komiker aus der Serie „Radio Active“. Angus Deayton schaffte im Anschluss eine veritable Radio- und TV-Karriere; Michael Fenton Stevens erreichte später einen UK-Nummer-Eins-Hit mit „The Chicken Song“ aus „Spitting Image“ und Philip Pope, der musikalische Kopf, war später erfolgreich mit Film- und Fernseh-Musik – etwa für „Dirk Gently´s Holistic Agency“ – ein Werk des großen Humoristen Douglas Adams. Die drei bildeten das Ensemble Garry, Norris und Dobbie Cripp. Für die perfekte musikalische Umsetzung sorgten Studiomusiker aus dem Umfeld von 10cc und Sad Café.

Das Album war erfolgreich in Australien, der Heimat der Brothers Gibb, und blieb im Rest der Welt schmählich unbeachtet. Ein CD-Re-Issue aus 2011 kombinierte es mit dem etwas schwächeren zweiten Album, das damit noch immer lustiger als alles andere ist, was sonst als Musikparodie firmiert. Doch die Vinylfassung von „439 Golden Greats“ enthält die Lyrics und die sind seit 40 Jahren eine beständige Quelle der Erheiterung für unsere gesamte Familie, denn dieser brillante Humor funktioniert generationenübergreifend. „Another end…“

Samstag, 19. November 2022

Hindu Love Gods - s/t

 

Hindu Love Gods – s/t

Giant Records 1990

Es sollte dieses Album eigentlich nicht geben – von dieser Band, die es eigentlich nicht gab. Die Erklärung für diesen seltsamen Satz liegt in der Besetzung. Hin und wieder treten bekannte Künstler unter einem Pseudonym auf, um wieder einmal in einem kleinen Klub spielen zu können, direkten Kontakt mit ihrem Publikum haben zu können. Für die Hindu Love Gods waren es insgesamt drei Konzerte in sechs Jahren, alle in Athens, Georgia.

Es spielten in ihrer Heimatstadt Peter Buck an der Gitarre, Mike Mills am Bass und Bill Berry am Schlagzeug – besser bekannt als drei Viertel von R.E.M. Statt Michael Stipe übernahm ein Freund namens Warren Zevon, einer der begnadetsten Westcoast-Musiker der Rock-Geschichte, die Vocals und die zweite Gitarre. Jene Unglücklichen, die ihn nicht kennen, erinnern sich vielleicht an seinen kleinen Hit „Werewolves of London“, von dem sich Kid Rock das Klaviermotiv entlehnte und daraus den Monster-Hit „All Summer Long“ machte.

Buck, Mills und Berry fungierten 1987, also zu einer Zeit als sie Alternative-Stars, aber noch keine Superstars waren, als Back-up-Band für Zevons Album „Sentimental Hygiene“. In einer betrunkenen Nacht jammten sie im Studio aus Spaß weiter und irgendjemand ließ offensichtlich das Band laufen. Sie spielten zehn Cover-Songs, fast alle davon alte Blues-Klassiker. Robert Johnsons „Walkin´ Blues“ eröffnet das Album, Willie Dixons „Wang Dang Doodle“ kommt später ebenso wie Muddy Waters´ “Mannish Boy“. Aus der eigenen Zeit klopften sie Prince´s „Raspberry Beret“ als Rock-Nummer herunter – so inspiriert, dass sie es später damit auf Platz 23 der US-Modern-Rock-Charts brachten.

Vier Vollblut-Musiker spielen nicht mehr ganz nüchtern Blues-Rock, nur aus Freude an der Musik und ohne jede Absicht, jemals etwas davon zu veröffentlichen. „It took us about as long to do as it takes to listen to,” sagte Bill Berry später. Es dauerte drei Jahre lang, bevor sie es sich anders überlegten und die Aufnahmen für das kleine Label Giant Records freigaben. Was für ein Glück für die Wenigen, die Notiz von diesem obskuren Album nahmen.

R.I.P. Warren, I still miss you.

Donnerstag, 17. November 2022

Rupert Hine - Waving not drowning

 

Rupert Hine – Waving not drowning

A&M Records 1982

Rupert Hine verdiente sein Geld eigentlich als Produzent. 117 Alben, bei denen er am Mischpult saß, sind auf Wikipedia gelistet. Darunter finden sich kommerziell erfolgreiche Werke von Rush, Chris de Burgh, Suzanne Vega oder „Private Dancer“ von Tina Turner.

Daneben gönnte sich der 2020 verstorbene Engländer eine kleine, feine Solo-Karriere, aus der zwei Alben herausragen: „Immunity“ aus 1981 mit seinem wunderbaren Titeltrack und ein Jahr später eben „Waving not drowning“ – benannt nach einem Gedicht von Stevie Smith. Das Produzenten-Ass spielt dabei fast alle Instrumente selbst. Phil Palmer liefert ein paar Gitarren-Parts ab, Ollie Tayler spielt zweimal das Sax und ein gewisser Phil Collins steuert ein wenig Percussions bei.

Die tragenden Instrumente sind Synthesizer und Klavier, um die herum Hine einen dichten atmosphärischen Sound-Teppich webt. Er spielt mit den Stimmungen, experimentiert ein wenig und spielt doch sein ganzes Können als Bestseller-Produzent aus. Geräusche wie Donner, Regen oder eine tickende Uhr werden eingearbeitet, „Dark Windows“ wurde laut Cover sogar während eines Gewitters eingespielt.

Bei aller Abwechslung, bei allem Einfallsreichtum im Sound liefert er doch eingängige, gehaltvolle Songs ab, die auch nach 40 Jahren frisch und spannend aus dem Lautsprecher kommen. Natürlich klingt die Musik ein wenig nach den 80ern und sie ist dennoch zeitlos. Das Album ist experimentell und dennoch in keiner Sekunde langweilig. Als Referenz eignen sich am ehesten Peter Gabriel, Peter Hammill oder Godley + Creme.

„Each hidden trap-door there we´ll find, we always were the curious kind”, singt er auf “The Curious Kind”, einem der besten Songs auf diesem Album. Und danach klingt auch das gesamte Werk – Neugierde, mit brillantem Handwerk umgesetzt.

Freitag, 4. November 2022

Michael Hurley, Unholy Modal Rounders, Jeffrey Frederick & The Clamtones - "Have Moicy!"

 

Michael Hurley, Unholy Modal Rounders, Jeffrey Frederick & The Clamtones – „Have Moicy!“

Rounder Records 1976

Wenn sich neun Querköpfe aus der US-Folk-Szene zum ersten Mal treffen, um innerhalb von drei Tagen ein Album aufzunehmen und dafür ein Budget von 1500 US-Dollar zur Verfügung haben, wird man das Ergebnis im Normalfall als „Ja danke, klingt eh interessant“ ablegen und kein zweites Mal hören.

Im Fall von „Have Moicy!“ entstand ein unerwartetes Meisterwerk. Robert Christgau, Plattenkritiker der New Yorker „Village Voice“ bezeichnete es als „Greatest Folk Album of the Rock Era“ und reihte es später unter seine besten Platten der 70er Jahre. Gleich nach Eric Claptons „Layla“ und noch vor „Exile on Main Street“ der Stones, damit wir wissen, von welcher Kategorie wir hier reden. Es kaufte dennoch niemand. Kein Wunder bei diesem Bandnamen.

Es trafen sich also 1975 Michael Hurley, bekannt von … ja, ziemlich nichts, mit dem ebenso außerhalb von New York unbekannten Folk-Psychedelia-Trio Holy Modal Rounders sowie Jeffrey Fredericks mit seinen Clamtones, die etwas rocklastigeren Folk als die anderen, aber ebenso erfolglos produzierten. Die Rounders benannten sich für diese kurze Zusammenarbeit gleich in Unholy Modal Rounders um.

Jeder hatte einige Songs und seine Instrumente mit. Es dominierte das traditionelle Folk-Instrumentarium: Akustische Gitarre, Fiddle, Waschbrett, Mandoline mit ein wenig Bass und Händeklatschen zu den dezenten Drums. Unter den Songs befanden sich allerdings etliche ungewaschene und unpolierte Juwelen, die man in den knapp drei Tagen mit jeder Menge Spielfreude in ihre Fassungen einfügte. „Sweet Lucy“ von Michael Hurley würde bereits allein den Kauf des Albums mehr als rechtfertigen.

Die skurrilen Texte springen von Bankraub über verschwundene Hamburger bis zu eifersüchtigen Vätern und die Mitternachtsstimmung in Paris, sie sind jedoch sekundär. Die Melodien sind so exzellent, die Einspielung so charmant und ausgelassen, dass sich der Spaß, den die neun für drei Tage hatten, auf die Hörer auch noch fast 50 Jahre später mühelos überträgt. Sollte man jemals das Bedürfnis nach seelischer Aufmunterung in 40 Minuten verspüren, dieses Album ist eine Bank dafür. Die Wirkung setzt sogar noch früher ein.

Ein Rezensent bezeichnete es auf „Allmusic“ als „The greatest front porch sittin‘, dog barkin‘, screen door squeakin‘, hammock swingin‘, mason jar swiggin‘, skillet lickin‘ album of all time.” Das trifft es ebenso.

Ambrosia - s/t

  Ambrosia – s/t 20 th  Century Records 1975 Prog-Rock hatte 1975 für mich – mit 16 Jahren – einen schweren Stand. The Who zeichneten „By Nu...