Fu Manchu – Go for it … Live!
Steamhammer 2002
Wenn es um das Wesen der Rockmusik geht, um die Frage, was sie von anderen Musikstilen unterscheidet, dann ist man schnell beim Sound der E-Gitarre. Natürlich soll der Bass wummern und das Schlagzeug den Rhythmus in die Eingeweide hämmern. Es dürfen sogar fallweise Keyboards oder ein Saxofon zu hören sein, aber das wirklich Wundervolle an Rockmusik ist der elektrisch verstärkte Klang der sechs Gitarrensaiten. Dieser Ton, mit dem die Riffs gespielt werden.
Gitarristen investieren oft einige Zeit, um den Klang ihres Instruments unverwechselbar zu machen, kombinieren dazu verschiedene Verstärker, Effektgeräte und Pedale. Aber den wirklich coolsten Sound, den ich je aus einer, respektive zwei Gitarren gehört habe, kommt von Fu Manchu. Nie klang eine Gitarre mehr nach purem Rock als von dieser Band. Pfeif auf Hendrix, Slayer oder Jimmy Page – Scott Hill und Bob Balch aus Südkalifornien machen sie alle in fünfzehn Sekunden platt.
Manchen Bands hilft dabei die Studiotechnik, um die Gitarrenparts zu doppeln und so weiter. Fu Manchu brauchen all das nicht. Sie klingen großartig im Studio, aber live sind sie noch druckvoller, brachialer, krachen diese Gitarren noch brutaler.
Stoner Rock nennt man diese Spielform. Erfunden wohl von Kyuss und irgendwo zwischen Hard und Heavy Rock anzusiedeln. Manchmal, daher der Name, mit psychedelischen Elementen angereichert. Aber bei Fu Manchu ist kaum etwas psychedelisch in ihrer Musik. Der einzige spürbare Drogeneinfluss sind die Glückshormone, die einen durchfluten, wenn diese Gitarrenriffs auf einen losdreschen. Der einzige Trip ist, wenn ihr aufgemotzter Ford Mustang losprescht und Spuren auf den Asphalt zeichnet. So geht in den Texten auch oft um Autos. „Road burnin‘ all across the land, Hell On Wheels is no big deal“. Ansonsten sind die Lyrics ähnlich sinnbefreit und man hört etwas über fliegende Mungos, verrückte Bärte und UFOs.
Aber wer achtet auch auf Texte, wenn es solche Gitarren zu hören gibt? Der Bass röhrt meist irgendwo an der Grenze des menschlichen Hörvermögens herum und der neu engagierte Schlagzeuger weiß instinktiv, was man von ihm erwartet: Mit voller Kraft den Takt durchdreschen. Nur der Gesang ist etwas zurückgenommen und fast relaxed. Das Motto lautet: Lasst die Gitarren für uns sprechen.
Fu Manchu sind wie die Fahrt in einem alten Ford Mustang. V8-Motor, 7 Liter Hubraum und 375 PS. Shelby GT! Das ist nicht das nervöse Jaulen einer Metal-Band, das ist das tiefe Brummen roher Kraft. Riecht an meinem Auspuff, ihr japanischen Reisschüsseln! „King of the road says you move too slow.” Dieser Refrain wird 13-mal hintereinander gesungen. Klingt dämlich. Ist es auch. Aber die Musik geht dabei ab wie die Hölle.
1994 nahmen sie ihr erstes Album auf, 2002 folgte dann diese Live-Doppel-CD. Im Kofferraum hatten sie das eben erschienene „California Crossing“, eines ihrer besten Studio-Alben. In den ersten Sekunden ist die Bühne noch leer. Das Publikum fordert die Band, skandiert „Fu Manchu, Fu Manchu“. Und dann fährt dieses Gitarrenriff hinein, brettert mit 120 Meilen los und die Rhythmus-Sektion sorgt dafür, dass sich niemand in die Nähe wagt. „Hell on Wheels“ heißt das Ganze sinnvollerweise und man ist sicher, an diesem Abend werden keine Gefangenen gemacht. Nur die Harten kommen durch.
Sie wagen sich sogar an „Godzilla“, den Monster-Song von Blue Öyster Cult. Und sie versetzen der alten Echse einen Kick in den Allerwertesten. „Laserblast!“ bauen sie am Anfang nur auf zwei Akkorden der Rhythmusgitarre auf, aber das ist Rock. Keep it simple, Baby. Sie setzen die Schöpfungsgeschichte eindrucksvoll um: Am Anfang war das Riff und das Riff war bei Fu Manchu.
„King of the road“ – einer ihrer Signature-Songs – folgt etwas später. Wenn man hört, wie sie das Riff herunterprügeln, wird sofort klar: Mehr muss Rock´n´Roll nicht können. Mehr kann Rock´n´Roll nicht können. Das ist die Essenz des Rocks. Eingedampft in der südkalifornischen Sonne, unter der sie groß geworden sind, bis nur mehr Sehnen und Knochen übrig sind. „You can´t beat two guitars, bass and drums“, hat Lou Reed einmal gesagt. Der alte Lou hatte oft recht, aber kaum einmal hatte er so recht. Q.E.D.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen