Haircut One Hundred – Pelican West
Arista Records 1982
Wir schreiben das Jahr 1982. Margaret Thatcher regiert weiterhin Großbritannien und wird es bald in einen kleinen Krieg um ein paar unbedeutende Inseln vor der argentinischen Küste führen. Die im Punk zerrissenen Jeans sind bereits wieder im Müll gelandet. „No Future“ war gestern. Die eine Hälfte der Musiker ist auf der Suche nach neuen Sounds in Richtung Post-Punk abgebogen, die Rest ist unterwegs zurück zur Hauptstraße der Pop-Musik. Man trägt wieder schmale Krawatte, Cashmere-Pullover oder Glitzer-Anzug.
Duran Duran und Spandau Ballet haben bereits ihre erste LP draußen und ein paar weitere englische Jungspunde um die 20 wollen schon mit dem Debutalbum den perfekten, den ewigen Popsong aufnehmen. ABC bringen im Mai ihr „Lexicon of Love“ heraus; Haircut One Hundred sind drei Monate früher dran. Beide Bands kommen ihrem unmäßigen, unverschämten Ziel verdammt nahe, ABC schaffen mit zwei Titeln sogar Volltreffer.
ABC bieten Pathos, Dramatik und Produzentengenie Trevor Horn; Haircut One Hundred schreiben einige ebenso gute Songs, aber sie setzen auf Leichtigkeit und Unbeschwertheit. Beide Bands liebäugeln mit dem Funk, schon die ersten Sekunden von „Pelican West“ machen klar, dass man Nile Rodgers und sein Gitarrenspiel mehr als einmal aufmerksam gehört hat. Orange Juice hat man im Fall von Haircut One Hundred auch nicht nur als Getränk genossen. Beide Bands integrieren scharfe Bläsersätze in ihre Musik, beide führen einen eigenen Saxofonisten als Bandmitglied. Ein Instrument, das im Punk (mit einer kleinen Ausnahme namens X-Ray-Spex) völlig abgesagt war.
Im Gegensatz zum Breitwandkino von ABC bieten Haircut One Hundred Musik wie ein Frühsommertag. Der Himmel ist klar, die leichte Brise trägt den Duft blühender Sträucher heran. Man schaukelt auf der Terrasse, die Frisur sitzt und der Chardonnay ist bereits eingekühlt. Es muss nicht alles bedeutend bis revolutionär sein. „Pelican West“ ist Musik, die es blendend versteht, gute Laune zu vermitteln. Vier der zwölf Titel rangieren in der Kategorie große Popsongs, der Rest ist noch immer sehr gutes 80er-Material.
Wie bei so vielen Bands blieb das Debutalbum das beste der gesamten Karriere. Haircut One Hundred brachten Ende 1983 einen Nachfolger heraus. Dann verabschiedete sich Songwriter und Sänger Nick Heyward in Richtung einer weitgehend erfolglosen Solo-Karriere, in der er noch immer gute Musik machte, aber nie mehr die Unbekümmertheit und den jugendlichen Charme von „Pelican West“ erreichte.
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