Ellen Foley – Nightout
Epic 1979
Eine blasse, dürre Blondine blickt mit großen Augen in die Kamera. Am Innencover zieht sie sogar den Reißverschluss ihres Oberteils nach unten. So präsentiert sich Ellen Foley optisch auf ihrem Debutalbum. Man legt die Platte auf – zarte Klavier- und Orgelklänge ertönen und dazu haucht sie: „You and me, baby, we don’t feel nothing at all“. Man sieht das eigene Vorurteil bestätigt: Hübsch anzusehen, aber musikalisch austauschbar.
Mit der zweiten Strophe lassen die Produzenten plötzlich eine Sturzflut an Sounds los. In bester Tradition von Phil Spector und Jim Steinman türmt sich alles vom Chor bis zu den Pauken auf. Jetzt geht sie sowas von unter, denkt man. Und dann passiert das Unfassbare: Ellen Foley füllt den Brustkorb und aktiviert ihre volle Stimme, singt sie noch nicht einmal ganz aus, aber aus dieser zierlichen Blondine entweicht ein Orkan, drückt diese „Wall of Sound“ mühelos nach unten und macht sie zur Hintergrundmusik. Der Referenzwert für „Power-Ballade“ wird innerhalb von 5:24 Minuten neu kalibriert und eine der großen weiblichen Stimmen der Rockmusik wird geboren. Die Kategorie von Pat Benatar, aber stimmlich mindestens zwei Ligen darüber.
Eine kleine Vorgeschichte hatte ihre Karriere allerdings: 1977 sang sie mit Meatloaf „Paradise by the Dashboard Light“ auf dessen Mega-Seller „Bat out of Hell“ und man versteht, warum in diesem wagnerianischen Bombast-Song gerade sie für das Duett ausgewählt werden musste. Damals produzierte Jim Steinman und für „Nightout“ orientierten sich Foleys Produzenten an diesem Sound. Auch wenn es sich um niemand Geringere als Ian Hunter (Mott the Hoople) und Mick Ronson (Bowies Spiders from Mars) handelte.
Am zweiten Track „What´s a matter Baby“ schicken sie Foley zurück in die 60er Jahre, die Girl Groups von den Ronettes bis zu den Shangri-Las lassen grüßen. Doch dann jagt Mick Ronson Keith Richards´ Gitarrenriff von „Stupid Girl“ in der Geschmacksrichtung extra-scharf durch den Raum und Foley gibt dem Song mehr Drive, als es Mick Jagger jemals vermochte. Ronson fräst mit seiner Gitarre durch das Unterholz und Foley drückt mit ihrer Stimme alles darüber nieder. Etwas gnädiger geht sie mit Graham Parker um, dessen eigene Version von „Thunder and Rain“ zumindest nicht für alle Zeiten schwächlich und blutleer klingen muss, wie es den Stones widerfuhr. Dass sie auch zarte Emotionen glaubwürdig rüberbringt, beweist sie mit der abschließenden Ballade „Don´t let go“.
Foley, Hunter und Ronson liefern mit „Nightout“ ein zeitloses, klassisches und perfekt produziertes Rockalbum ab, dessen Songs in der Bandbreite zwischen sehr gut und grandios changieren. Mick Jones von The Clash produzierte mit ihr den Nachfolger, doch weder Songmaterial noch Sound passten so perfekt zusammen wie auf „Nightout“. Auch wenn sie The Clash noch für ihr eigenes Dreifach-Album „Sandinista“ holten. Sie mischten sie allerdings weit nach hinten, sonst wäre Joe Strummer nicht mehr zu hören gewesen.
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