Samstag, 12. März 2022

Cherry Vanilla - Bad Girl

 

Cherry Vanilla – Bad Girl

RCA 1978 

Cherry Vanilla wurde überraschenderweise nicht unter diesem Namen geboren, sondern als Kathleen Dorrittie. Für eine Rolle in Andy Warhols Film “Pork” nahm sie dann ihren Künstlernamen an und über den Film erhielt sie Zugang zu David Bowie, dessen Public Relations sie kurz darauf übernahm. Dabei brachte sie durchaus originelle und für die Branche eher unübliche Einfälle ein – so versprach sie jedem DJ einen Blowjob, der Bowie auflegte. 

1976 übersiedelte die New Yorkerin nach London, wo sie Kontakt zur frisch entstehenden Punk-Szene fand und erste Live-Auftritte absolvierte. Dafür heuerte sie für 15 Pfund pro Abend junge Musiker an – darunter Leute wie einen gewissen Gordon “Sting” Sumner oder Stewart Copeland. Vielleicht kennt sie noch jemand. 

Erkenntnisse aus ihrer PR-Praxis flossen in ihre Texte und  Songtitel ein; siehe “Foxy Bitch” oder “I know how to hook”. Nach der ersten Single “The Punk” schaffte sie es 1978 zum Debutalbum “Bad Girl”, auf dem sie die Lyrics und die Band die Musik einbrachte.  

Wer Punk erwartete, wurde aber schon in den ersten Sekunden enttäuscht. Ein Vaudeville-Piano setzt ein und Madam Vanilla erklärt: “If you wanna know how I got here, I know how to hook”. Und im zweiten Song bekennt sie “Baby, I´m so 1950s”. In der zweiten Hälfte rockt der Song aber so los, dass sie in den 50ern dafür wegen Ruhestörung und ihr Gitarrist wegen Raserei verhaftet worden wäre. Erst im vierten Track findet man die Single “The Punk”, die die Erwartungen aus 1978 einigermaßen erfüllt – ein cleverer, ungemein eingängiger Bastard aus Punk und klassischem Uptempo-Rock. 

Cherry Vanilla ist keine große Sängerin, die Musik ist nicht innovativ wie vieles andere aus dem 1978er-London, aber man findet hier zehn eingängige Songs ohne Schwachstelle. Die Qualität des Albums liegt eindeutig im Songwriting vor allem ihres Lebensgefährten Louie Lepore und im gut gelaunten, vorwärtsdrängenden Spiel ihrer Band. Das Ganze ist näher bei Genya Ravans “Urban Desire” oder beim Pub Rock eines Graham Parker als bei den Sex Pistols, aber es ist gute Laune pur, und hat sich auch nach mehr als 40 Jahren nicht abgenutzt. 

Und am Schluss kriegt auch noch David Bowie ein wenig wegen nicht eingelöster Versprechen sein Fett weg, aber das Gekrähe des “Little Red Rooster” im Refrain rockt gewaltig. Als versöhnlichen Abschluss ruft sie ihm noch doppeldeutig zu: “Won´t you come back and play with me?” Ob er je darauf zurückkam, ist jedoch nicht überliefert. 




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