Montag, 14. März 2022

John Otway - Under the covers and over the top

 

John Otway – Under the covers and over the top

Otway Records 1992

Zum Jahreswechsel darf es auch etwas Unterhaltsames sein, dachte ich mir, und kaum etwas eignet sich dafür so großartig wie John Otway. Mit neun Jahren beschloss er Pop-Star zu werden.  Er hörte die Beatles- und Stones-Platten seiner Schwester und erkannte früh, das sei außerhalb seiner eigenen Fähigkeiten. Dann kaufte seine Schwester eine Bob-Dylan-Platte und für Otway war im Augenblick klar, der Weg zum Star wäre auch für ihn frei.

Er selbst bezeichnet sich auch nach wie vor als „Singer-Songwriter“ – für mich ist er eher ein Natural-Born-Entertainer im Fach Rockmusik und darin einer der Allerbesten. Er begann 1972 gemeinsam mit seinem Partner Wild Willy Barrett Musik zu produzieren, erlangte mit seinem amateurhaften Zugang zu allem kurz ein wenig Aufmerksamkeit in der ähnlich gestrickten Punk-Zeit, und hielt sich in der Folge vor allem mit Konzerten über Wasser. Er verfügte über eine kleine, aber überaus treue Fanbase im United Kingdom, die seinen Humor zu schätzen wusste.

Diese verschworene Gemeinschaft erfüllte ihm 2002 zu seinem 50. Geburtstag auch den öffentlich geäußerten Wunsch nach einem Hit. Das Publikum wählte bei einem Konzert „Bunsen Burner“, bei dem er Samples aus dem Trammps-Song „Disco Inferno“ benutzte, als potentiellen Hit. Otway brachte den Song in drei verschiedenen Versionen heraus, von denen jede als Eintrittskarte zu einem Konzert galt. Sein Publikum kaufte alle drei Singles und „Bunsen Burner“ ging auf Platz 9 der UK-Charts.

Als B-Seite fungierte jeweils seine Coverversion von „House of the rising sun“ – ein unglaubliches Dokument seines Verhältnisses zu einem fanatischen Publikum. Otway bringt den Song live im Dialog mit 900 seiner Fans, die offensichtlich alle wissen, welche Teile des Songs er ihnen überlässt, und es funktioniert einzig- und großartig.

Und eben hier setzt eines meiner Lieblingsalben dieses wunderbaren Entertainers an: 1992 brachte er ein Album mit elf Coverversionen heraus. Man braucht sicherlich einen Sinn für britischen Humor, um dieses Album schätzen zu können, denn „Starman“ von Davis Bowie als Marschmusik mit deutschem Akzent ist nicht jedermanns Geschmack. Für mich ist es jedenfalls das mit Abstand amüsanteste, das ich kenne. Cat Power beispielsweise hat sich an drei dieser Zusammenstellungen abgemüht, aber Otway bläst diese Humorlosigkeit in 30 Sekunden mühelos weg.

Es wäre nicht John Otway, würde er nicht das Album mit einem Beatles-Song eröffnen, um seine eigene Geschichte ein wenig umzuschreiben, und keiner könnte besser zu ihm passen als „I am the Walrus“. Er singt es zwar nicht, aber mit Otways Charme und Humor wird der Song zu etwas ganz Eigenem, ganz Wunderbarem.

Dass er auch seinen Dylan beherrscht, zeigt er mit einem Track, der wohl auch für seinen eigenen Lebensentwurf steht: „I will survive“. Symptomatisch für seinen sympathisch amateurhaften Zugang zu den ausgewählten Hits ist auch „Blockbuster“ von The Sweet, dem er seinen sehr individuellen Stempel aufdrückt. Man warte nur auf das Krähen.

In weiterer Folge scheut er auch nicht davor zurück, „Wild Thing“ der Troggs mit Serge Gainsbourgs „Je t´aime“ zu kreuzen und seine Gesangspartnerin „Oooh, Otway!“ stöhnen zu lassen. Skurril ist auch seine Version von Bachman-Turner Overdrives „You ain´t seen nothing yet“, wo er als zweite Stimme den Kabarettisten Attila The Stockbroker auf Deutsch den Song kommentieren lässt. Als Abschluss bringt er David Bowies Anthem „Space Oddity“ mit einer Blaskapelle und man amüsiert sich viel zu viel, um Blasphemie rufen zu können. All diese Tracks zeugen von so viel Individualität und Humor, dass sie zu meinen absoluten Highlights unter mehr als 6000 Tonträgern zählen.

AllMusic nennt John Otway einen „lovable loser“. Bei mir gewinnt er auch noch fast alles und so wird er auch der einzige Künstler sein, der in dieser Sammlung von unbekannten Meisterwerken zwei Einträge erhält. Er verdient es einfach.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ambrosia - s/t

  Ambrosia – s/t 20 th  Century Records 1975 Prog-Rock hatte 1975 für mich – mit 16 Jahren – einen schweren Stand. The Who zeichneten „By Nu...