Montag, 14. März 2022

Radio Stars - Songs for Swinging Lovers

 

Radio Stars – Songs for Swinging Lovers

Chiswick Records 1977

Man muss schon entweder sehr viel Selbstbewusstsein oder sehr viel Selbstironie besitzen, um eine Band „Radio Stars“ zu nennen. Über das Selbstbewusstsein weiß ich nichts Definitives, aber Humor besaß diese Band zur Genüge. Das zeigen schon Titel und Cover ihres ersten Albums, indem sie Sinatras Meisterwerk „Songs for singing lovers“ persiflierten.

Obwohl im London des Jahres 1977 natürlich als Punkband positioniert, wiesen die Musiker schon eine jahrelange Vergangenheit im Glam-Rock auf. Martin Gordon war Mitglied der „Sparks“ auf „Kimono my House“ mit dem Mega-Hit „This town ain´t big enough for both of us”, und Andy Ellison spielte mit Marc Bolan bei “John´s Children”. Zusammen gründeten sie 1974 die nur für ein Album bestehende Glam-Rock-Band „Jet“, die sie weitgehend in die Radio Stars überführten.

Chiswick Records, die mit den Damned die erste Punk-LP des UK herausbrachten, nahm sie unter Vertrag. Die erste Single „Dirty Pictures“ erfüllte auch die Grundregeln des neuen Rock-Genres, doch die Radio Stars waren keine Punks. Optisch sahen sie noch immer aus, als hätten sie denselben Friseur wie Sweet, und musikalisch lassen sich ihre Songs – mit dem Abstand von mehr als vier Jahrzehnten – eher als Power Pop einreihen.

Zwei Dinge zeichnen die Band aus, die beide ihrer Alben zu Meisterwerken machen: Zum einen ihr schon erwähnter Humor, der sich auch in den Lyrics fortsetzte. Das beliebte Motiv „Boy meets Girl“ setzten sie im gleichnamigen Song um: „Boy meets girl, she´s just like the others. She talked so much rubbish and trivia, so he decided to throw her into the rivia”. Oder auf “No Russians in Russia” setzten sie mit dem Kalauer “There are no Turkeys in Turkey, the whole affair is Greek to me” fort.

Vor allem aber war Martin Gordon ein großartiger Songschreiber. Viele der Songs hatten die Eingängigkeit, um die Band tatsächlich zu Radio Stars zu machen, aber wieder einmal war das Musik-Business himmelschreiend ungerecht. Die drei Briten lieferten zwei Alben lang perfekten Pop-Punk ab, schreckten aber nicht vor einem kurzen Blues zurück, wenn der Titel „Nothing happened today“ lautete, oder holten ein Klavier und eine Frauenstimme hinein, um auf Ellisons Frage „Is this love?“ schnippisch „I don´t think so“ antworten zu lassen. Woran sie sich selbst musikalisch maßen, zeigen die zwei Cover-Versionen, die sie in ihr Werk aufnahmen: „Norwegian Wood“ und „Dear Prudence“ stammen von Lennon/McCartney. Diese Latte übertrafen die Radio Stars mit etlichen ihrer eigenen Songs mühelos.

Die beiden von ihnen veröffentlichten Alben sind nahezu gleichwertig. „Songs for swinging lovers“ erhielt von mir den Vorzug, da in der Vinyl-Erstauflage noch zwei ihrer allerbesten Songs als Gratis-Single beilagen: „Dirty Pictures“ und „No Russians in Russia“.





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