Shara Nelson – What silence knows
Cooltempo Records 1993
Der Name Shara Nelson mag manchen noch ein wenig geläufig sein. In den späten 80er-Jahren arbeitete sie in Bristol als Sängerin mit dem DJ-Team The Wild Bunch zusammen. Teile davon wurden dann zu Massive Attack. Ja, genau die. Die Trip-Hop-Legende.
Während der Aufnahmen zu deren Debutalbum sang Nelson in einer Pause eine eigene Song-Skizze namens „Kiss and tell“. Die mithörenden Massive Attack-Mitglieder fanden, das hätte was, daraus ließe sich vielleicht was machen. Es wurde zu „Unfinished Sympathy“, einem mittleren Hit in vielen europäischen Ländern und vor allem zu einem Fix-Bestandteil in allen Listen der besten Songs. Die Meta-Bestenliste Acclaimed Music führt ihn auf Platz 63 der besten 3000 Songs aller Zeiten. Shara Nelson war übrigens auch noch an einigen anderen Songs von „Blue Lines“, dem ersten Massive Attack-Album, als Mit-Autorin beteiligt. Song-Schreiben kann die Dame also.
Zwei Jahre später hatte sie noch einige neue Songs parat, drei davon mit niemand Geringerem als Prince als Co-Autor. Sie versuchte es solo und blieb dem Trip-Hop-Stil von Massive Attack nahe, wenn auch mit mehr Soul und etwas mehr Pop-Appeal. Immerhin schaffte es die gemeinsam mit Prince geschriebene erste Single „Down that road“ auf Platz 19 der UK-Charts.
Die restlichen Songs sind mit einer einzigen Ausnahme (ausgerechnet dem Titel-Track) gleich oder fast so gut. „What silence knows“ ist daher ein Album mit exzellentem Song-Writing, interessantem Sound und bietet feinsten, eingängigen Trip-Hop. So weit, so gut.
Was das Album aber für mich in einzigartige Höhen hebt, ist die Stimme von Shara Nelson. Es gibt einen Song von Back Street Crawler, der Band von Paul Kossoff, als er bei Free ausstieg, namens „The sound of molten gold“. Seit ich das Shara Nelson-Album kenne, weiß ich, wie sich geschmolzenes Gold anhört. Ich höre, wie es gleichzeitig schimmert und verbrennt, während es träge dahinfließt.
Es gibt einige Frauen, von denen ich Alben alleine wegen ihrer Stimme und ihres Gesangs hören würde. Egal, was sie singen, es könnte sogar deutscher Schlager sein, um ein Extrembeispiel heranzuziehen. Sandy Denny zählt dazu, Grace Slick, Siouxsie Sioux oder Mavis Staples. Aber allein die göttliche Aretha Franklin, die beste von allen, schafft es, mich mit ihrer Stimme in gleichem Maße zu rühren, mir Tränen der Ergriffenheit in die Augen zu treiben, wie Shara Nelson.
Die Ungerechtigkeit der Musik-Welt bewies sich einmal mehr: Nach einem erfolglosen zweiten Album verschwand Shara Nelson weitgehend in Vergessenheit und dieser Schatz der Menschheit, würdig eines UNESCO-Weltkulturerbes, blieb unbekannt, ungenutzt. Mit Ausnahme meines Wohnzimmers.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen