The Vibrators – V2
Epic 1978
Sie zählten zu den ersten UK-Punkbands. Schon im November 1976 wurden sie nach etlichen Konzerten als Begleitband für Chris Speddings Single „Pogo Dancing“ engagiert und durften die B-Seite als „The Vibrators“ selbst bespielen. Passender Titel des Songs: „We vibrate“. Nach „New Rose“ von The Damned brachten sie damit die zweite Punk-Single des Vereinigten Königreichs heraus. Einige Monate später folgte das erste Album, 1978 dann das zweite – auch hier mit einem passenden Titel: „V2“.
Wie schon beim Vorgängerwerk ist es geradliniger, schnörkelloser Punk mit eingängigen Refrains. Nicht ganz in der Oberliga wie die Sex Pistols, die Clash oder die Buzzcocks, aber knapp dahinter. In etwa gleichauf mit den Adverts, den Lurkers (sie bekommen noch einen eigenen Eintrag in diesem Blog) oder den UK Subs. „Automatic Lover“, der zweite Track des Albums steht stellvertretend dafür. Class of 78 eben. Textlich wird „Destroy“ skandiert oder der „Public Enemy Nr. 1“ benannt. Class of 78, you know. Aus heutiger Sicht hätte man sich etwas besseres Equipment, eine etwas vollere Produktion gewünscht, aber das gilt für so viele Alben von damals neuen Bands. Gang of Four nahmen allein deshalb ihre alten Songs Jahrzehnte später nochmals auf, weil sie mit dem Sound so unzufrieden waren.
Ein gutes Album also, V2. Aber manchmal kann ein einziger Track den Unterschied zwischen einem guten und einem herausragenden Album machen. „Johnny was“ von den Stiff Little Fingers, die sich passenderweise nach einem Vibrators-Song benannten, war so ein Fall. Ein Track, der nicht ganz hineinpasst. Auf V2 kommt er ganz zum Schluss. Sie nehmen sich 5´39m Zeit für diesen Song – undenkbar für einen Punk-Song. In dieser Zeit hatten die Ramones schon ihren dritten Song fertiggespielt.
„Troops of tomorrow“ braucht diese Zeit, diesen langsamen, schrittweisen Aufbau. Zuerst setzen Galeerentrommeln ein, dann lassen sie die Bassgitarre ein hypnotisches Thema wiederholen und wiederholen. Die Gitarre kratzt höchstens psychedelische Geräusche dazwischen. Die Drums werden langsam lauter und lauter. Die Bedrohung baut sich auf. Erst dann setzt die Gitarre richtig ein, entlädt die Spannung und wird wieder zurückgefahren. Im Chor singt die ganze Band „We´re troops of tomorrow, we´re hangin´ round today. We´re playin´ tough music, ´cause it´s hard times honey. We need a new solution, we want it quick, we´re getting´ frustrated, it´s makin´ us sick.“
Das Ganze verbreitet Endzeitstimmung. Im Kopf sieht man, wie Aunty Entity in Mad Max 3 die Truppen ausschwärmen lässt, immer auf der Suche nach Beute und Opfern. Der Song steigert sich weiter, wird immer wuchtiger, bis er in „Left, right, left, right“-Kommandos endet.
Das ist kein Punk mehr, sondern bereits Post-Punk oder New Wave, wie es damals hieß. Ziemlich zeitgleich mit „The Scream“, dem ersten Album von Siouxsie + Banshees, das auch den Weg jenseits der rotzigen Punk-Kracher wies.
„Troops of tomorrow“ wurde mehrmals gecovert; The Exploited machten es 1982 sogar zum Titeltrack eines Albums. „The Vibrators“ gibt es übrigens noch immer. Bis 2013 folgten noch jede Menge Alben, aber keines mehr in dieser Qualität. Aber die ersten Gigs für 2022 sind schon fixiert; die Troops of Yesterday marschieren noch immer.
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