Montag, 25. April 2022

The Mighty Wah! - Songs of Strength and Heartbreak

 


Castle Music 2000

Auch wenn ich die Beatles nicht besonders mag – Liverpool war für die Pop- und Rock-Musik immer ein besonderer Ort. 1977 fanden sich drei Teenager kurz zu einer Band zusammen, die den Liverpool-Sound in den 80ern prägen sollten: Ian McCulloch, Julian Cope und Pete Wylie. McCulloch gründete Echo + The Bunnymen, Cope die ebenso wunderbaren A Teardrop Explodes und Pete Wylie mutierte zu Wah!

Sein Debutalbum beinhaltete mit „Seven Minutes to Midnight“ und „Better Scream“ zwei Weltklassesongs, danach folgten eher durchschnittliche Veröffentlichungen unter diversen Bandnamen mit der einzigen Konstante „Wah!“  Mitte der 90er war Wylie buchstäblich am Boden, brach sich Brustkorb und Becken, wobei Rippensplitter nur knapp am Herzen vorbeischrammten.

Ein Mann wie Pete Wylie schöpfte daraus neue Kraft, setzte sich hin und schrieb in Folge die besten Songs seines Lebens. Sony Records legte einen Vorschuss hin, lehnte dann die fertigen Bänder ab und Wylie brauchte zwei Jahre, um die Rechte zurückzubekommen, und seine Musik bei Castle Music veröffentlichen zu können.

Er eröffnet das Album mit den Worten: „My name is Wylie, this is the Mighty Wah!“ Und „mighty“ ist dieses Album in der Tat. Mit „Songs of Strength and Heartbreak“ lieferte sein Opus Magnum ab: Songs mit so viel Größe, Herzblut und Leidenschaft findet man nur ganz selten.

Instrumentiert im Breitwand-Sound fast wie im alten Phil Spector-Stil bringt er persönliche Texte, die uns anrühren (“I was never loved as a child” oder „I’ve nothing else left in reserve, so leave me here to eat myself alive down to the bone – alone alone alone“). Programmatisch dann „Heart as big as my hometown – heart as big as Liverpool“. Und wenn man den Song hört, weiß man, dass der Mann kein bisschen übertreibt.

So viel himmelstürmende Leidenschaft hörte man vorher und nachher kaum einmal – früher vielleicht noch in Soul und Blues. Aber Pete Wylie breitet uns hier sein stadtgroßes Herz aus, schneidet es in elf Stücke und verpackt es in wunderbare Melodien. Kein einziger Song fällt ab und etliche sind ganz großes Breitwandkino. Das beste Manic Street Preachers Album, das je erschienen ist, und ich kann mich auch nach 20 Jahren nicht daran satt hören.
In „The Return of Rock and Roll“ schreibt er sogar sein Rezept für das Album hinein: „The sound, the fury, the ideal, the force of what you feel“. Genau das ist diese Musik!

Noch heute spielen sie im Stadion des FC Liverpool seine Stadthymne „Heart as big as Liverpool“ und sie wissen genau, warum. Pete Wylie ist ebenso Liverpool wie die Beatles.



Montag, 11. April 2022

The Monochrome Set – Volume, Contrast, Brilliance …

 



Cherry Red Records 1983

New Wave in den Jahren 1978 bis 1980 bedeutete vor allem, anders zu klingen. Anders als Prog-Rock mit Roger-Dean-Coverbildern, anders als Klassik-Adaptierungen durch Rock-Bands und mit den Monaten auch zunehmend anders als Punk. Das konnte die Türe zum Synthie-Pop öffnen wie die frühen Human League, Techno- und Industrial-Elemente in die Rock-Musik einführen wie Cabaret Voltaire oder 60er-Jahre-Surf-Sound und Filmmusik integrieren wie eben bei The Monochrome Set.

Als sie ihr Sänger Stuart Goddard 1977 verließ und zu Adam Ant mutierte, benannten und gruppierten sie sich um. Sie wurden zu einer „truly multinational band“, wie sie der bei neuen Talenten allgegenwärtige Radio-DJ John Peel nannte: „The singer is Indian, the guitarist comes from Canada and the rest of the band come from Essex.”

Sie begannen mit den ersten Gigs im Jänner 1978, das Debutalbum „Strange Boutique“ erschien aber erst 1980. Dazwischen veröffentlichten sie drei Singles bei Rough Trade und die sind der Grund, warum ich diese später erschienene Rarities-Sammlung mit eben diesen Singles statt des ersten regulären Albums ausgewählt habe (auf denen sie unberücksichtigt blieben).

Der Einfluss des Films auf die Band war da schon evident: Auf der ersten Single „Alphaville“ huldigten sie der Nouvelle-Vague-Ikone Jean-Luc-Godard und anschließend mit „Eine Symphonie des Grauens“ dem Stummfilm-Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau. Doch die Musik von „Alphaville“ basiert noch auf einem rotzigem Gitarrenriff, während später mehr Liebe zu Duane Eddy als zu Joe Strummer und mehr zu Ennio Morricone als zu Malcolm McLaren herauszuhören war. Bereits die B-Seite von „Symphonie des Grauens“, „Lester leaps in“, zeigte mit einem Gitarren-Instrumental, das man nach zweimal Hören mitpfeifen kann, die spätere Richtung. Sie wurden zu musikalischen Dandys; Eleganz, Stil und eine gewisse Verschrobenheit prägten die Musik, die dennoch immer hochmelodiös blieb. Die Texte wurden immer obskurer und handelten von „Silicon Carne“ und „The man with the black moustache“.

Das breite Publikum ignorierte sie völlig, doch The Monochrome Set wurden zu einem „Artists’ Artist“. Morrissey und Johnny Marr fanden unter anderem über ihre Vorliebe zu dieser Band zusammen, Franz Ferdinand und Pete Doherty beriefen sich auf sie und Fatboy Slim nahm eine Coverversion der B-Seite ihrer ersten Single auf und holte dazu Iggy Pop für die Vocals.

„Volume, Contrast, Brilliance…“ versammelt 14 frühe Singles und Session-Tracks aus den Jahren 1978 bis 1981 und bildet somit das gesamte Frühwerk ab der ersten brillanten Single ab. Übrigens – trotz mangelnden Erfolges überlebte die Band mit diversen Umgruppierungen und veröffentliche 2022 eben ihr sechzehntes Album.

Donnerstag, 7. April 2022

Johnny Moped - Cycledelic


 

Chiswick 1978

Sie waren wohl eine der eigenartigsten Bands der Punk-Ara. Johnny Moped wurde als Black Witch Climax Blues Band bereits 1974 gegründet, der Frontmann war ein verkappter Rocker mit „Hell´s Angels“-Tattoo, ohne je H.A.-Mitglied gewesen zu sein, und dennoch waren sie mehr Punk als die meisten anderen Bands. Sie „sahen eigenartig aus, klangen wahnsinnig und waren in ihrer totalen Ungreifbarkeit und Antikommerzialität wie geschaffen für die Punkbewegung“, resümierte Andy Markowitz, der später eine Doku über sie drehte.

Ihr erster Live-Auftritt fand bei einem Live-Festival in ihrem Heimatort Croydon statt. Die Band fing an zu spielen, Johnny Moped, der Sänger kam zu spät und bretterte mit seinem Moped den Hügel hinunter in Richtung Bühne, quer über die Picknickdecken und zusehends die Kontrolle über sein Gefährt verlierend. Vor der Bühne kam er halb zu Sturz, rappelte sich auf, kletterte auf die Bühne und schrie „Let´s play! 1-2-3-4“.

Später, als sie ihren Plattenvertrag mit Chiswick in der Tasche hatten und das Studio gebucht war, verbot seine 20 Jahre ältere Ehefrau Johnny Moped den Kontakt mit der Band und so entführten ihn die restlichen Bandmitglieder von seiner Arbeitsstätte, um das Album aufnehmen zu können.  

Das Debutalbum „Cycledelic“ ist in der Tat einzigartig: Es ist meines Wissens die einzige LP der Musikgeschichte mit drei Seiten. Auf der A-Seite sind zwei Rillen gepresst und je nachdem, wo die Nadel gerade reinfällt, hört man entweder „V.D. Boiler“ oder den eher überflüssigen „Mystery Track“, auf dem vor allem die Band ihren Spaß hat.

Ernst ist da ohnehin nicht viel. Sie verpassen Chuck Berrys „Little Queenie“ eine Falsett-Version oder schrecken auf „3D Time“ nicht vor Psychedelia zurück. Kein Wunder, der Gitarrist trug Koteletten, Schnurrbart und einen Polizistenhelm. Dennoch hat die Band ihre großartigen Momente: Wenn sie auf dem Roxy-Sampler ihren Standard „Hard Lovin´Man“ herunterholzt, definieren sie Geschwindigkeit selbst im Punk neu. Dagegen klingen die Ramones wie eine Tanz-Combo, wenn die Paare schmusen wollen.

Es war wohl auch eine Band der verpassten Chancen. Immerhin warf die Band ihre zweite Gitarristin aus der Band, denn im Punk brauche man keine zwei Gitarren. Die gründete dann ihre eigene Formation namens Pretenders, und die erste Single von Chrissie Hynde ging auf Nr.1 der UK-Charts. Der Mann, dem sie ihren Rauswurf verdankte, hörte auf den Namen „Slimy Toad“. Und dann war da noch der Teilzeit-Bassist, dem es zu unprofessionell wurde, und der sich so lieber The Damned anschloss. Etwas später war Captain Sensible auch mit „Happy Talk“ und Wot!“ international in den Charts erfolgreich.

Aber auch heute noch nennt Captain Sensible „Cycledelic“ ein „sensationelles Album“, selbst wenn er nicht mehr mitgewirkt hatte, und der Bass von einem Mann gespielt wurde, der lieber Musik im Stil von Erik Satie machen wollte. Johnny Moped, dem Sänger, wurde dann fallweise von seiner Frau die Hose weggenommen, wenn sie Gigs verhindern wollte, und so blieb „Cycledelic“ einzigartig, weil sich die Band auflöste.

Dave Thompson schrieb in seinem Buch „Alternative Rock“ über das Album: „Cycledelic was absolute madness. The greatest songs, the sloppiest playing, a voice to make Billy Bragg feel grateful and the sheer immortality of the since-oft-covered "Darling, Let’s Have Another Baby". Das fasst es hervorragend zusammen.




Ambrosia - s/t

  Ambrosia – s/t 20 th  Century Records 1975 Prog-Rock hatte 1975 für mich – mit 16 Jahren – einen schweren Stand. The Who zeichneten „By Nu...