Krisma / Chrisma – Chinese Restaurant
Polydor 1977
Neben Punk etablierte sich 1977 im Rock noch eine kleine Nebenfahrbahn mit Nutzung des bei Emerson, Lake + Palmer oder Yes schwer angefeindeten Synthesizers. Man bediente sich bei den deutschen Electro-Pop-Pionieren Kraftwerk und ging mit der Unbekümmertheit der Punks an die Sache heran. Das US-Duo Suicide waren die ersten, die in diese schmale Fahrbahn hineinfuhren, etwas später kamen in England Acts wie Human League oder Tubeway Army hinzu.
In Italien dominierten damals Umberto Tozzi mit „Ti amo“ oder Lucio Battisti die Charts, doch ein Ehepaar, das aus den ersten Buchstaben ihrer Vornamen Christina und Maurizio den Bandnamen Chrisma formte, bog ebenfalls auf diese schmale Rumpelpiste ein. Das erste Album „Chinese Restaurant“ stand noch ein wenig unschlüssig zwischen Krautrock, New Wave und Filmmusik für B-Movies, doch gerade darin liegt sein besonderer Reiz.
Produziert und musikalisch ergänzt wurde es von Nico Papathanassiou, dem Bruder von Vangelis in dessen Londoner Studio. Ein Mitwirken von Vangelis selbst wird bis dato vermutet, aber nicht bestätigt. Das Album öffnet mit einem repetitiven, aber eingängigen Instrumental im Stil des Krautrock-Pioniere „Neu!“. Danach folgt „Black Silk Stocking“ mit erotisch aufgeladenen Vocals von Christina Moser und einem Soundmix aus Ultravox und Giorgio Moroder. Da darf dann auch die elektrische Gitarre schräg hineinfahren.
Der dritte Song „Lola“ setzt sich irgendwo in die weite Lücke zwischen den Eurythmics und dem Soundtrack zu „Cabaret“, gefolgt von „C-Rock“, das wie Kraftwerk auf Speed bei ersten Versuchen mit der E-Gitarre klingt. Auch beim Rest des Albums changiert alles zwischen nervösem Electro-Rock und billiger Filmmusik. Im Abschlusstrack greift man das anfängliche Instrumental nochmals auf, lässt es pompös anschwellen, um sich im Intermezzo bei allen zwischen Iggy Pop und der Queen zu bedanken, die man als Inspiration zu diesem Album sah.
Dem Erstlingswerk von Chrisma fehlt sicher eine gewisse Konsistenz, aber es passt perfekt in den Bruch zwischen den frühen 70ern mit Prog-Rock und Glam und der zweiten Hälfte mit New Wave und Synthie-Pop a la Depeche Mode.
Chrisma spielten noch sieben weitere Alben ein, keines aber mehr so spannend wie ihr Erstlingswerk. Beim dritten, poppigeren Werk namens „Cathode Mamma“ adaptierten sie den Bandnamen auf "Krisma" und bekamen Verstärkung durch einen deutschen Musiker namens Hans Zimmer. Dieser sollte später Multi-Millionär mit seinen Soundtracks zu „König der Löwen“, „Gladiator“ oder „Dune“ werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen