Kleenex/LiLiPUT – Ain´t you + You
Rough Trade 1978/ Kill Rock Stars 2001
Es funktionierte sogar in der Schweiz. Zwei Kunststudentinnen hörten ein Konzert der Sex Pistols und gründeten daraufhin eine Band. Wie im Punk üblich war es ihr erster Kontakt mit Musikinstrumenten. Das war Anfang 1978. Im Mai gaben sie ihr erstes Konzert als reine Frauenband. Die Gitarristin hatte wenigstens zuvor Saxofon gespielt, ein jedoch für den Punk nahezu undenkbares Instrument (ja – es gibt mit Lora Logic ein Gegenbeispiel). Als Name wurde Kleenex gewählt. Ein perfekter Punk-Name: Jedem geläufig, einmal zu gebrauchen und dann wegzuwerfen.
In der Schweiz erschien eine erste EP. John Peel, der englische Radio-Titan, spielte sie häufig, und Rough Trade brachte für das UK hintereinander zwei Singles heraus. Vier perfekte Songs: Simpel, wirksam, absolut originell und trotzdem eingängig. Es war Punk, da man nur Ideen und Enthusiasmus einbrachte, aber keine technische Finesse im Spiel. Man merkte aber auch die Herkunft der Kunststudentinnen aus Dadaismus und Futurismus – sowohl in der Musik als auch in den Texten und den Kostümen. Man ging unbekümmert und spielerisch an die Aufgabe, manchmal sogar fröhlich. Das Tempo folgte nicht der Punk-Maxime: Je schneller, desto besser. Klaudia Schiff ergänzte die Vocals durch in Mädchenstimme gerufene „Iiii, iii“ oder „Üüh“. Letzterer Ausruf wurde sogar zum Titel der zweiten Single.
Den spielerischen Zugang sieht man auch in „Hedi´s head“. Der Titel setzt sich aus den Gitarrenakkorden H/E/Dis/, H/E/A/D zusammen. Der Text besteht lediglich aus „Hedi´s head is so dread, Hedi is oh so sad“ und als Schweizerinnen singen sie natürlich „Heidi“. Ein wunderbares Beispiel, wie wenig es braucht, um einen großartigen Song zu schaffen, der sich auch nach 45 Jahren noch immer frisch anhört.
Ende 1979 wurden sie vom Kosmetiktücher-Produzenten Kimberly-Clark auf Unterlassung geklagt und benannten sich in LiLiPUT um. Wegen der chronischen Erfolglosigkeit kam es zu zahlreichen Umbesetzungen und die Musik wurde zunehmend weniger spannend, weniger packend, wenngleich noch immer eigenständig und originell (die 2001 erschienene CD-Anthologie belegt alle Phasen von 1978 bis 1983).
Trotz der Erfolglosigkeit sagte Kurt Cobain etwa 10 Jahre später, in seinen „50 favourite albums af all time“ sei ein Platz für irgendetwas von Kleenex zu reservieren. Kommende Frauenbands wie Sleater-Kinney oder die japanischen Shonen Knife beriefen sich auf Kleenex und Kim Gordon von Sonic Youth schrieb: „Their records sounded fresh and modern and mirrored my desire to make something, that was not as corny as LA punk, and more vital than post-conceptional art or post-modern painting. When I listen to Kleenex now, I can´t think of a single group that has come close to achieving the same thing.”
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