Donnerstag, 26. Januar 2023

Fashion - Fabrique

 

Fashion – Fabrique

Arista 1982

In der Zeit von Punk und Post-Punk – also von 1976 bis tief hinein in die 1980er – war immer eine Brücke zur schwarzen Musik offen. Zuerst näherten sich britische Bands wie The Clash oder The Ruts und in New York Patti Smith auf ihrem Debut-Album „Horses“ mit dem Song „Redondo Beach“ dem Reggae. Zwei, drei Jahre später entdeckten Madness, The Specials oder The Selecter den ebenfalls aus Jamaica stammenden Ska. Parallel dazu gab es auch erste Annäherungen an den Funk. In New York waren es Bands wie James White and the Blacks, die James Brown, den “Godfather of Funk,” verehrten.

In Großbritannien näherte man sich weniger offen verehrend: Auf der einen Seite über die ganze Rhythmus-Sektion wie bei der Pop Group und ihrem Anarcho-Punk-Funk oder ganz subtil über den Bass wie bei Gang of Four oder A Certain Ratio. Ein wenig später griffen auch die von der New Wave-Seite zum Pop drängenden Bands diesen Einfluss auf: ABC, die frühen Spandau Ballet oder eben auch Fashion.

1978 in Birmingham als Post-Punk-Band gegründet, brachten sie ein Jahr später ein völlig unbeachtetes Debut heraus. Sie brauchten drei weitere Jahre und einige Umbesetzungen, bis es zu einem Nachfolger reichte. Die gerade aufgekommene New-Romantics-Bewegung verschaffte ihnen noch einmal das Trittbrett für einen Plattenvertrag – und das gleich beim US-Label Arista.  

Für „Fabrique“ wurde ihnen der Deutsche Zeus B. Held als Producer zur Seite gestellt. Bernd Held fing als Band-Mitglied der Kraut-Rocker Birth Control an und schuf dann mit Gina X Performance ein eigenes Elektropop-Dance-Projekt. Seine Erfahrungen und seine Synthies nahm er mit zur Arbeit mit Fashion und legte den von ihm produzierten Sound irgendwo zwischen Trevor Horn und Giorgio Moroder an. Breitwand-Elektro-Pop mit Blick auf die Tanzfläche.

Die Band lieferte dazu die besten Kompositionen ihrer Karriere, die Held irgendwo zwischen Disco-Pop, Electro-Funk und New Romantics pendeln ließ. Auch David Bowie aus den frühen 80ern schaut manchmal um die Ecke. Man sieht, sie schafften es leicht, zwischen allen Stühlen Platz zu nehmen. Für die 13 noch verbliebenen Fans aus Post-Punk-Tagen war Zeus B. Held undenkbar. Für die Disco waren sie doch ein wenig schräg, für die New Romantics ihr Look wohl zu bieder. Es reichte für zwei UK-Charts-Platzierungen rund um Platz 50 und einer späten Aufnahme eines Tracks in den Soundtrack der US-Serie „Miami Vice“.

Was bleibt, ist ein Album mit einigen hervorragenden Songs und einem Sound, in dem die Synthesizer grooven und Martin Recchi an der Bassgitarre die Slap-Technik ausreizt. In den besten Momenten wirklich großes Kino irgendwo zwischen Duran Duran, Heaven 17 und Level 42.

Freitag, 20. Januar 2023

Fish Turned Human - Turkeys in China

 

Fish Turned Human – Turkeys in China

Sequel Records 1979

Vereinigtes Königreich, wir schreiben das Jahr 1978. Der wirtschaftliche Niedergang des Landes setzt sich fort, Streiks und Rassismus greifen immer stärker um sich. Schon ein Jahr zuvor befanden Jugendliche, dass Musik, in der Keith Emerson ein weiteres klassisches Stück durch seine Synthesizer jagt, oder Konzeptalben mit der Vertonung von Edgar Allen Poe-Stories nicht ganz ihre Lebensrealität widerspiegelten.

Punk entstand und ein Jahr später entdeckten viele Bands, dass die Punk-Attitüde „Jeder kann ein Musiker sein“ nicht zwangsläufig nur zu Musik mit drei heruntergedroschenen Gitarrenakkorden führen muss. Aus Punk wurde die New Wave und die Blüten wucherten in alle möglichen Richtungen. Die Basis für Synth-Pop wurde ebenso gelegt wie für Independent, Techno oder Industrial. Es war musikalisch eine ungeheuer spannende Zeit und es wurden nicht nur stündlich neue Bands gegründet, sondern auch jede Menge neue Labels versuchten sich am Markt.

Sequel Records, das Label von Fish Turned Human, veröffentlichte in seiner Geschichte eine LP, eine EP und fünf Singles. Das erste Produkt war auch gleich „Turkeys in China“. Die Band, man kennt die Namen der Mitglieder und dass der Bassist später bei den Soft Boys von Robyn Hitchcock spielte, nahm die vier Songs innerhalb eines Tages in einem Kellerlokal auf. Auch so können Meisterwerke der Rockmusik entstehen.

Die Band spielte ihre vier besten Stücke mit der Frische des Punks runter, aber auch andere Einflüsse sind zu hören: „The International“, ein unheimlicher Ohrwurm, atmet auch den Charme des frühen 60er-Jahre Rock´n´Roll. „Here come the Nuns“ und vor allem „24 Hour Shop“ nehmen Anleihen beim Reggae. Ganz wie es schon Punk-Bands von The Clash bis zu den Ruts gemacht haben. Es entsteht eine EP mit zumindest drei ungeheuer eingängigen und gut gelaunten Songs. Der britische NME empfiehlt das Werk, aber niemand kauft es und nach einer weiteren Single verschwindet die Band wieder. Jene 200 oder 300 Glücklichen, die doch ihre EP erstanden haben, freuen sich aber mehr als 40 Jahre später immer wieder mal an ihrem Schatz.

Flash Fearless versus the Zorg Women (Diverse)

 

Flash Fearless versus the Zorg Women Parts 5&6

Chrysalis 1975

Ein Album, zu einem Sci-Fi-Musical, das niemals aufgeführt wurde. Eine Story aus einem Comic-Book, wonach der Held Flash Fearless auf einem Matriarchat-Planeten strandet, auf dem die herrschenden Zorg-Frauen Männer normalerweise nach Entnahme einer Gen-Probe exekutieren. Klingt völlig obskur? Ja, ist es natürlich.

Aber es ist die Besetzungsliste, die einem die Freudentränen über die Wangen treibt. Die Gesangsparts in alphabetischer Reihenfolge: Die grandiose und stets unterschätzte Elkie Brooks, der dämonische Alice Cooper, der wundervoll knödelnde Jim Dandy (Black Oak Arkansas), der wandlungsfähige James Dewar (Robin Trower Band), der sich im Schatten von Daltrey und Townshend stets wohlfühlende John Entwistle und der große Rock-Shouter Frankie Miller. Die Gitarren bedient von Mick Grabham (Procol Harum) und Justin Hayward (Moody Blues), am Bass John Entwistle (The Who), an den Keyboards Eddie Jobson (Roxy Music, Jethro Tull), Chick Churchill (Ten Years After) und Nicky Hopkins, der von den Beatles über die Stones bis zu Cat Stevens überall mitspielte. Das Schlagzeug teilen sich schließlich Keith Moon, Bill Bruford (Yes, King Crimson), Carmine Appice (Vanilla Fudge, Rod Stewart) und Kenny Jones (The Faces, The Who). Fast die halbe „Rock and Roll Hall of Fame“ spielte auf diesem Album mit.

Klingt nach Namedropping? Ja, ist es natürlich auch, aber diese Leute beherrschten ihre Stimmen und Instrumente so meisterlich, dass damit allein eine hohe Qualität der Musik gesichert ist. Das Songwriting von Steve Hammond (Fat Mattress) und Dave Pierce (Petula Clark, k.d. lang, Bryan Adams) hielt nicht immer stand mit der Liste der Musiker. Aber alleine im Eröffnungssong, wenn sich Elkie Brooks Stimme über den Background-Chor Thunderthighs (die von „Walk on the wild side“) erhebt und John Entwistle seinen melodisch federnden Bass spielt, braucht man nicht viel von einem Song, um staunend zuhören zu können.

In „To the Chop“ gibt John “The Ox” Entwistle den klassischen Rock´n´Roll-Entertainer und Nicky Hopkins tobt sich am Piano aus. Und im letzten Song „Blast off“ setzt Jim Dandy sein mächtiges Organ so meisterlich ein, dass es Entwistle und Kenny Jones in der Rhythmusgruppe braucht, um ihn noch kurz am Boden zu halten. Und ganz am Ende, während Eddie Jobson die Reprise spielt, wundert man sich, wie ein Album mit dieser Liste an Mitwirkenden völlig unbeachtet bleiben konnte.

Ellen Foley - Nightout

 

Ellen Foley – Nightout

Epic 1979

Eine blasse, dürre Blondine blickt mit großen Augen in die Kamera. Am Innencover zieht sie sogar den Reißverschluss ihres Oberteils nach unten. So präsentiert sich Ellen Foley optisch auf ihrem Debutalbum. Man legt die Platte auf – zarte Klavier- und Orgelklänge ertönen und dazu haucht sie: „You and me, baby, we don’t feel nothing at all“. Man sieht das eigene Vorurteil bestätigt: Hübsch anzusehen, aber musikalisch austauschbar.

Mit der zweiten Strophe lassen die Produzenten plötzlich eine Sturzflut an Sounds los. In bester Tradition von Phil Spector und Jim Steinman türmt sich alles vom Chor bis zu den Pauken auf. Jetzt geht sie sowas von unter, denkt man. Und dann passiert das Unfassbare: Ellen Foley füllt den Brustkorb und aktiviert ihre volle Stimme, singt sie noch nicht einmal ganz aus, aber aus dieser zierlichen Blondine entweicht ein Orkan, drückt diese „Wall of Sound“ mühelos nach unten und macht sie zur Hintergrundmusik. Der Referenzwert für „Power-Ballade“ wird innerhalb von 5:24 Minuten neu kalibriert und eine der großen weiblichen Stimmen der Rockmusik wird geboren. Die Kategorie von Pat Benatar, aber stimmlich mindestens zwei Ligen darüber.

Eine kleine Vorgeschichte hatte ihre Karriere allerdings: 1977 sang sie mit Meatloaf „Paradise by the Dashboard Light“ auf dessen Mega-Seller „Bat out of Hell“ und man versteht, warum in diesem wagnerianischen Bombast-Song gerade sie für das Duett ausgewählt werden musste. Damals produzierte Jim Steinman und für „Nightout“ orientierten sich Foleys Produzenten an diesem Sound. Auch wenn es sich um niemand Geringere als Ian Hunter (Mott the Hoople) und Mick Ronson (Bowies Spiders from Mars) handelte.

Am zweiten Track „What´s a matter Baby“ schicken sie Foley zurück in die 60er Jahre, die Girl Groups von den Ronettes bis zu den Shangri-Las lassen grüßen. Doch dann jagt Mick Ronson Keith Richards´ Gitarrenriff von „Stupid Girl“ in der Geschmacksrichtung extra-scharf durch den Raum und Foley gibt dem Song mehr Drive, als es Mick Jagger jemals vermochte. Ronson fräst mit seiner Gitarre durch das Unterholz und Foley drückt mit ihrer Stimme alles darüber nieder. Etwas gnädiger geht sie mit Graham Parker um, dessen eigene Version von „Thunder and Rain“ zumindest nicht für alle Zeiten schwächlich und blutleer klingen muss, wie es den Stones widerfuhr. Dass sie auch zarte Emotionen glaubwürdig rüberbringt, beweist sie mit der abschließenden Ballade „Don´t let go“.

Foley, Hunter und Ronson liefern mit „Nightout“ ein zeitloses, klassisches und perfekt produziertes Rockalbum ab, dessen Songs in der Bandbreite zwischen sehr gut und grandios changieren. Mick Jones von The Clash produzierte mit ihr den Nachfolger, doch weder Songmaterial noch Sound passten so perfekt zusammen wie auf „Nightout“. Auch wenn sie The Clash noch für ihr eigenes Dreifach-Album „Sandinista“ holten. Sie mischten sie allerdings weit nach hinten, sonst wäre Joe Strummer nicht mehr zu hören gewesen.

Ambrosia - s/t

  Ambrosia – s/t 20 th  Century Records 1975 Prog-Rock hatte 1975 für mich – mit 16 Jahren – einen schweren Stand. The Who zeichneten „By Nu...