Freitag, 11. August 2023

John Cale - Sabotage/Live

 

John Cale – Sabotage/Live

Spy Records 1979

John Cale ist als Gründungsmitglied von Velvet Underground natürlich kein Unbekannter. „Sabotage“ ist jedoch ein – völlig zu Unrecht – kaum beachtetes Album in seinen bisher 28 veröffentlichten Werken. Die zahlreichen Soundtracks nicht eingerechnet. Und es ist in vielerlei Hinsicht eine ungewöhnliche Platte. Zum einen ist es ein Live-Album – aber mit ausnahmslos von ihm vorher noch nicht veröffentlichten Songs.

Eingespielt wurde es im Juni 1979 im legendären CBGB-Club in New York City. Cale spielt dabei mit einer neu zusammengestellten Band, mit der er nur auf diesem Album zusammengearbeitet hat. Sein feines Händchen für Talente – er hat immerhin die Erstlingswerke der Stooges, von Jonathan Richman oder Patti Smith produziert – zeigt sich auch hier in der Auswahl seiner Bandmitglieder, doch dazu später.

Der Waliser hat im Lauf seiner mittlerweile fast 60-jährigen Karriere schon viele stilistische Haken geschlagen: Von der klassiknahen Minimal-Music auf „Church of Anthrax“ über feinziselierten Barock-Pop auf „Paris 1919“ bis zu atmosphärischen Collagen auf seinen Soundtracks reicht seine Bandbreite. Und noch viel weiter.

Auf „Sabotage“ zeigt er vor allem die wütende Seite seiner Persönlichkeit. Er beginnt mit einer beklemmend aktuellen Abrechnung mit Söldner-Truppen:  

“Mercenaries are useless, disunited, unfaithful

They have nothing more to keep them in a battle other than a meager wage.”

Und später wird es fast prophetisch:

“Let’s go to Moscow, let’s go to Moscow
Let’s go, let’s go to Moscow
Fight a backdoor to the Kremlin
Push it down and walk on in.”

Passenderweise zeigt er sich am Cover vor dem Hintergrund einer Atomexplosion. Im Titeltrack attackiert er dann die Medien; immerhin ist er Brite:

“Read and destroy everything you read in the press
Read and destroy everything you read in books
It’s a waste of time
It’s a waste of energy
It’s a waste of paper
And it’s a waste of ink
Whatever you read in the books, leave it there
The word for it is:
Sabotage, sabotage”

Der intellektuelle Schöngeist zeigt also wieder einmal, das fallweise „Fear“ sein „best friend“ ist. Dementsprechend klingt der Rock auf „Sabotage“ manchmal wütend, manchmal brutal, jedenfalls eindringlich wie selten. Dazu trägt auch sein Bassist maßgeblich bei: George Scott holte er von James Chance + The Contortions und dieser spielt seine vier Seiten brutal-dröhnend wie kaum einmal jemand in der Rock-Geschichte. Wie ein tieffliegender B-52-Bomber brummt er beispielsweise durch Rufus Thomas´“Walkin´ the Dog“. Leider spritzte sich dieses Ausnahmetalent ein Jahr später eine Überdosis, ansonsten hätte er die Standards für Bassspiel im Independent-Rock endgültig festgesetzt.

„Sabotage“ ist sein bedrohlichstes Album, aber es wäre nicht John Cale, wenn er nicht eine seiner zartesten Melodien einbauen würde: „Only Time will tell“ singt er nicht einmal selbst, sondern überlässt seiner Background-Sängerin Deerfrance das Mikrofon, während er selbst an die Viola wechselt. Doch die bezaubernde Melodie kontrastiert er mit: „The gentle pain of falling rain / I’ll hide behind to kill/ Behind the frozen mask and ask if time will tell: Is it heaven or hell?”

Diese fröhliche Weltsicht offenbart er auch im abschließenden „Chorale“: “And the cold of the living /And the cold of the dead/ Hand in hand from the beginning to the end.“

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