Mittwoch, 22. März 2023

The Donkeys - Television Anarchy

 

The Donkeys – Television Anarchy

Detour Records 2004

Die Mods, eine vor allem in den 60er-Jahren populäre britische Jugendbewegung, erlebte mit dem Punk in den späteren 70er-Jahren ein kleines Revival. Es gab zwar nicht mehr so viele Rocker, mit denen man sich prügeln konnte, und auch die Vespa- und Lambretta-Roller waren nicht mehr so verbreitet, aber die Musik der Who oder der Small Faces war näher am Punk als etwa die Beatles oder die Stones.

Man zog sich gepflegter an als die Punks mit ihren zerrissenen Jeans und speckigen Lederjacken, aber die führende Band des Mod-Revivals, The Jam, nahm viel von der rohen Energie des Punks auf. Hinter dem übergroßen Trio um Paul Weller folgten Bands wie Secret Affair, The Chords oder The Lambrettas.

Oder eben The Donkeys – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen US-Indie-Band. 1979 in West Yorkshire gegründet, existierten sie nur zwei Jahre oder fünf Singles lang. 2004 erschien dann die Retrospektive „Television Anarchy“ – auch mit vorher unveröffentlichtem Material. Die Donkeys pendelten, wie auch die neu veröffentlichten Tracks zeigen, musikalisch ein wenig im Dreieck Mod, Punk und Power-Pop.

Absolutes Highlight ist die zweite Single mit „No Way“ und „You Jane“, das eigentlich keine B-Seite war. Beide Songs würden auf den ersten beiden Jam-Alben zu den besseren Tracks zählen. Stattdessen bildeten sie die Highlights auf dem „Thru the Back Door“-Sampler von Mercury Records. Bei „Strike Talks“ ist die Patenschaft von Paul Weller unzweifelhaft – man zweifelt, ob man nicht gerade einen Song von The Jam hört. „Don´t go“ ist hingegen Power-Pop einer englischen Band, die als Kinder auch die Beatles gehört hat und die letzte Single, „Listen to your Radio“, ist ebenso radiotauglich, doch außer John Peel und Mike Read auf BBC Radio 1 spielte sie niemand.

Sänger und Songwriter Neil Ferguson tauchte dann Jahre später bei Chumbawamba wieder auf, doch die Donkeys verschwanden völlig in der Versenkung. „Still the greatest band never to have a world-wide number one”, schreibt ihr früherer Manager auf dem Booklet. Da gibt es wohl einige Konkurrenz um diesen Titel, aber Kandidaten wären die Donkeys allemal.

Mittwoch, 15. März 2023

John Dowie - Another close Shave

 

John Dowie – Another close Shave

Virgin Records 1977

Er wird mittlerweile als Pionier der britischen „Alternative Comedy“ angesehen, weil er Parodie, Rollenspiel, Fantasy und Tabu-Themen frech durcheinandermischte. Doch John Dowie, der seit 1969 auf der Bühne stand, begann 1975 so etwas wie Comedy-Rock aufzuführen und schaffte es damit in die Pub-Rock- und Punk-Clubs wie das Hope + Anchor.

Dowie zählte auch zu den ersten Acts, die Tony Wilson auf seinem Factory Label unter Vertrag nahm – zusammen mit Bands wie Joy Division oder Cabaret Voltaire. Seine erste eigene EP brachte er aber auf Virgin Records heraus: Sechs Tracks im 7-inch-Format und pinkem Vinyl.

Eröffnet wird dieses Mini-Album gleich mit einem der Highlights: Auf „British Tourist“ kombiniert Dowie seinen sarkastischen Humor mit einer nicht mehr aus dem Ohr gehenden Melodie. 45 Jahre später können meine Frau und ich den Song noch immer auswendig. Das liegt auch am prägnanten, selbstironischen Text:   

I’m a British Tourist and I’m very, very rude.
I hate the foreigners
hate their stinking food
I don’t like French or Germans
or care for Belgians much
But worst of all worst of all
I hate the Dutch
The Dutch, the Dutch
I hate them worse than dogs.
They live in windmills
and mince around in clogs.

They don’t have any manners
They don’t say ‚thanks‘ or ‚please‘
all they eat is tulips
and stinking gouda cheese…

The Dutch are mad
Their fingers stuck in dikes
They use the wrong side of the road
And ride around on bikes
They don’t have any manners,
don’t have any brains.
There’s only one race worse than them
and that’s… THE DANES!

Musikalisch wird der Großteil der sechs Songs von einem E-Piano dominiert, nur auf dem 35 Sekunden kurzen „Mew Wave“, auf dem Dowie „Our Pussycat is a punk rocker“ bekennt, übernimmt er die zum Text passende Instrumentierung.

Der stärkste Song der zweiten Seite ist „Jim Callaghan“, eine ironische Abrechnung mit dem damaligen Labour-Premierminister:

„He is more than a man, a genius, a God, loved by the people who serve him.

Am I talking about Moses, am I talking about Superman? No – Jim Callaghan…

And if for a giggle, you´d make a hit single, I bet it gets to No. 10.”

So machen diese knapp zehn Minuten jede Menge Spaß, doch Dowie wechselte kurz danach zur Stand-up-Comedy und arbeitete später mit dem seelenverwandten Neil Innes zusammen, schrieb Theaterstücke oder schuf humorvolle Shows für Kinder. „British Tourist“ wird uns dennoch für immer bei jeder Reise ins United Kingdom oder in die Niederlande begleiten.

Nona Hendryx - s/t

 

Nona Hendryx – Nona

RCA 1982

Nona Hendryx war die auf der einen Seite von Patti LaBelle (auf der anderen Seite stand Sarah Dash), als sie 1974 mit „Lady Marmelade“ einen Nummer-Eins-Hit landeten. „Voulez-vous coucher avec moi, ce soir?“ und so. Zwei Jahre später war Schluss mit Labelle und Hendryx versuchte es mit einem rocklastigen Solo-Album, das völlig erfolglos blieb. Daraufhin arbeitete sie für weiße Künstlern wie Material und den Talking Heads und ließ sich Zeit.

Erst 1982 brachte sie mit „Nona“ ihr zweites Solo-Album heraus, aber dafür kam sie gleich mit einem All-Star-Ensemble zurück. Bill Laswell, Fred Maher und Michael Beinhorn von Material bildeten den Kern; dazu kamen Leute wie Nile Rodgers, Bernie Worrell (Parliament, Funkadelic), Tina Weymouth (Talking Heads), Nancy Wilson (Heart), Sly Dunbar oder Laurie Anderson.

Uns so klingt das Album auch. Die eine Hälfte ist perfekter 80er-Jahre-Disco-Funk. Da sitzt jeder Ton, jeder Beat genau dort, wo er soll. Der Opener „B-Boys“ katapultiert einen sofort auf die Tanzfläche. Es wummern die Bässe, es blubbern die Synthies. Und Nona Hendryx´ Gesangskünste stehen ohnehin außer jeder Diskussion. Nicht umsonst wurde sie von Künstlern von Yoko Ono über Peter Gabriel bis zu den Talking Heads gebucht, wenn die wieder ins Studio wollten.

Die zweite Hälfte der Songs, ohne dass man den Eindruck hat, das Album fiele auseinander, entspricht mehr der New Yorker Avantgarde dieser Zeit. „Design for living“ wird mitgeprägt von Laurie Andersons Violine und Valerie Simpson (Ashford + Simpson) spielt ein gefühlvolles Piano. Patti LaBelle singt Background, die erste Zusammenarbeit der beiden seit sechs Jahren.

Die zweite Seite wird eröffnet vom hypnotischen „Transformation“. Hendryx ruft auf zur Toleranz:

“Fist to glove, lose or win
you live a life of sin, then you’re born again
Trash to art, heart to heart
Big or small, we’re all a part

They’re just transformations
Variations, alternations, deviations
You know, Mother Nature rules us all”

Und Sly Dunbar lässt den Song richtig grooven.

Auf „Run for cover“ lässt Hendryx mit folgenden Zeilen aufhorchen, während Laswell und Beinhorn für den No-Wave-Funk sorgen:

„Lovers in the night air, wearing only moonlight

Will the morning find you in a run for cover

You can´t forget her kiss, only you thought you´d never miss

Is all you can remember as you run for cover”.

Heute lebt Nona Hendryx mit ihrer englischen Lebensgefährtin in New York und engagiert sich für Gay Rights.

Samstag, 4. März 2023

earth and fire - s/t

 

earth and fire – s/t

CBS 1970

Nein – ich habe nicht „Wind“ im Bandnamen vergessen. Diese niederländische Band wurde bereits 1967 und damit zwei Jahre vor den Schmuse-Funkern aus den USA gegründet.

Für mich ist dieses Album sentimental behaftet: Es war die allererste LP meiner Sammlung. Zwar nicht selbst gekauft, sondern von einem Freund meiner Eltern geschenkt, aber sie führte mich in die Richtung Rock-Musik, nachdem ich nahezu ausschließlich mit Country-Musik aufgewachsen war. Ein Weg, der ein Jahr mit „Let´s see action“ von The Who endgültig zementiert wurde.

1970 kam die fünfköpfige Band erstmals für ein Album im Studio zusammen. Sicherlich hatte sie der Erfolg ihrer Landsleute Shocking Blue inspiriert, die sich ein Jahr zuvor mit „Venus“ auf Nummer Eins in die US-Charts einschrieben. So trat auch Earth and Fire mit einer Sängerin auf, während der Gitarrist Chris Koerts die Songs schrieb. Einen Song hatte ihnen noch ein früher Förderer mitgegeben – George Kooymans, auch bekannt als Bandleader von Golden Earring. Er steuerte „Seasons“ bei, das es als Single tatsächlich auf Platz 2 in den Niederlanden schaffte. Die Eigenkomposition „Ruby is the one“ schnitt mit Platz 4 aber kaum schlechter ab.

Die Musik ihres ersten Albums schwankt ein wenig zwischen spätem Psychedelic-Rock mit viel Hall in den Gitarrensoli und ausufernden Instrumental-Parts, harmonischem Folk-Rock mit akustischer Gitarre und Querflöte sowie straightem Rock unter Einbeziehung einer Orgel. Also irgendwo im Dreieck zwischen Jefferson Airplane, den dänischen Savage Rose und den frühen Doors. Das alles auf der Basis eines exzellenten Songwritings und einer abwechslungsreichen Instrumentierung. Manchmal, wie etwa bei „Ruby is the one“, rockt es aber auch richtig. Prägnant ist immer Sängerin Jerney Kaagman, die Mariska Veres von Shocking Blue locker die Stange halten konnte.

Später erwarb Earth and Fire ein Mellotron an und ging stark in Richtung Prog-Rock. 1979 schafften sie mit „Weekend“ tatsächlich einen späten Hit. Die Qualität ihres Debuts erreichten sie für mich aber nie mehr.

Ambrosia - s/t

  Ambrosia – s/t 20 th  Century Records 1975 Prog-Rock hatte 1975 für mich – mit 16 Jahren – einen schweren Stand. The Who zeichneten „By Nu...