No Fun Records 1981
Wir schreiben das Jahr 1979. Punk hat seine Halbwertszeit deutlich überschritten. Die Sex Pistols sind tot, die zweite große Punk-Band, The Clash, bringt mit „London Calling” ein Rock-Album ohne Punk heraus und Joy Division lassen mit ihrem ersten Album endgültig die „New Wave“ über das UK rollen.
In Deutschland hat man den Punk aufgegriffen und wagt es wieder einmal, in Deutsch zu singen. Vorher war das in der Rockmusik Einzelgängern wie Kraftwerk, Ton Steine Scherben oder Udo Lindenberg vorbehalten gewesen. Der „Sounds“-Journalist Alfred Hilsberg greift erstmals den Begriff „Neue Deutsche Welle“ auf. Alle Bands, die zu diesem Zeitpunkt darunter fallen wie Mittagspause, S.Y.P.H., KFC oder auch die frühen DAF sind gegen Pop-Einflüsse weitgehend immun und humorfrei ohnehin.
In Düsseldorf wird in diesem Jahr „Der Plan“ gegründet und in Hannover die weniger bekannten „Mythen in Tüten“. Beide Bands, später sollte noch Foyer Des Arts dazu kommen, haben einen frischen Zugang zum Thema. Erlaubt ist, was Spaß macht. „Der Plan“ kommt aus der Elektronik-Ecke, „Mythen in Tüten“ schöpfen in ihrer Rhythmus-Sektion eher aus Ska und Funk, das Saxophon erinnert an leichten bis manchmal schweren Jazz und die Keyboards sind billig, vermutlich für 199 D-Mark im Karstadt gekauft.
Beide Bands haben Sinn für Nonsens und beide Bands haben keine Berührungsängste mit dem Gottseibeiuns der deutschen Musik, dem Schlager. Zwar ist der Zugang ironisch gebrochen, aber die beiden Gruppen öffnen die Tür, durch die später Nena, Markus oder Hubert Kah von der anderen Seite aus stürmen und aus der Neuen Deutschen Welle die NDW machen.
Es dauert fast zwei Jahre, bis „Mythen in Tüten“ den Vertrag für ein ganzes Album erhält, obwohl das Label ebenso wie sie in Hannover sitzt. Doch allein der Name der Plattenfirma „No Fun Records“ zeigt bereits, dass man nicht nur Gemeinsamkeiten hat. Label-Acts wie Hans-A-Plast oder Rotzkotz fallen definitiv unter ironiebefreit, während „Mythen in Tüten“ auf ihrem Debutalbum aus der DAF-Hymne „Der Mussolini“ dann „Tanz den Tortellini – und jetzt den Maccaroni“ machen.
Ebenso schräg wie die Texte ist der Gesang, aber vielleicht gerade deshalb schreckt man auch nicht vor Zeilen wie „Mein Herz macht Dam-di-di-dam“ zurück. Dafür entstehen kleine Geniestreiche wie „Waren Sie schon einmal in Sansibar? Wenn ja, wie fanden Sie´s denn da? – Ja, ich war schon einmal in Sansibar und ich fand es dort sehr sonderbar“. Das funktioniert dann auch mit Kalkutta und Fischkutter und entwickelt einen ungemeinen Charme.
Mythen in Tüten schafften noch ein zweites Album und mit diesem das Kunststück, noch erfolgloser zu sein. Dennoch wurde das Debutalbum 2006 und noch einmal 2010 auf CD wiederveröffentlicht. Eine „neue Kollektion“ sozusagen.